Der Bund der Illusionisten 1
sich vielmehr Menschen aus allen möglichen Ländern zusammen, die von der Hauptstadt des Exaltarchats angelockt wurden, weil sie glaubten, hier ihr Glück machen zu können. Und bei einigen von ihnen stimmte das sogar.
Ich blieb einen Moment stehen, da ich Kopfschmerzen und einen üblen Geschmack im Mund hatte. Es fiel mir schwer, klar zu denken. Das Orakel hatte zu mir, Ligea Gayed, gesprochen und mir meine Zukunft vorhergesagt. Nicht viele waren so privilegiert. Wieso also fühlte ich mich so⦠besudelt?
Ich schob das Gefühl beiseite und richtete meine Gedanken stattdessen auf meinen bevorstehenden Aufbruch von Tyr. Es würde keine Abende in der Wüstenperiode mehr geben, die ich im Theater bei einer neuen Komödie von Crispin verbringen konnte; ich würde auch nicht mehr an einem Abend der Schneeperiode mit den Gelehrten der Akademie am Feuer sitzen, Punsch trinken und über Asculis jüngste Abhandlung über die Frage diskutieren, wieso sich die Jahreszeiten änderten; und auch die angenehmen Musikabende bei Nereus würde es nicht mehr geben.
Kardiastan. Wüstenhölle. Unkultiviertes Land der Attentäter und bösartigen Numina, der Windstürme und regenlosen Himmel. Sollte der Wind aus Acherons Vortex den Mistkerl Rathrox holen!
Mir blieb allerdings keine Zeit, um bei der angenehmen Vorstellung eines vorzeitigen Ablebens meines Mentors zu verweilen, denn meine Gedanken wurden jäh in die Gegenwart zurückgerissen. Seit ich die Sicherheit der belebten StraÃen verlassen hatte, streiften meine Sinne unbewusst durch die Umgebung, um mitzubekommen, was um mich herum vor sich ging. Es schien, als hätte mich mein dummer Entschluss, so vornehm gekleidet durch das Gewirr zu gehen, in Schwierigkeiten gebracht: Ich wurde verfolgt. Es geschah mir nur recht; ich hätte es wissen müssen. Ich hätte eine Sänfte nehmen sollen.
Ich schärfte meine Aufmerksamkeit. Die Leute in den Häusern ignorierte ich, aber ich gestattete meinen Sinnen, diejenigen zu berühren, die sich in den angrenzenden StraÃen aufhielten. Ich spürte ihre Nähe und versuchte herauszufinden, ob sie eine Gefahr für mich darstellten, indem ich ihre Emotionen überprüfte. Ich fand eine zornige Frau und einige mürrische Kinder, einen Mann, der von einer noch unbefriedigten Begierde erfüllt war und sich in der Gegenwart einer Frau befand, die leidenschaftslos wirkte â vielleicht eine Hure â, und auÃer Sichtweite in einer ParallelstraÃe war eine Gruppe von jungen Leuten, die die Heiterkeit von Betrunkenen verströmten. Um sie alle brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.
Im Gegensatz zu meinem Verfolger. Ich richtete meine Sinne nach hinten und spürte seine Emotionen wie eine schwarze Wolke aus Gewalt und Habgier, zu sehr von bösartiger Erwartung gezeichnet, um ihn so einfach zu ignorieren. Verflucht sollte der Kerl sein. Als ich um die nächste Ecke gebogen war, verschwand ich im ersten Eingang und wartete. Ich tastete nach meinem Messer, aber es war natürlich nicht da. Niemand nahm ein Messer mit zu einer Audienz beim Exaltarchen.
Mit zunehmendem Missmut und steigender Genervtheit richtete ich meine Sinne auf den Verfolger. Er zögerte einen Moment, als er um die StraÃenecke kam und feststellte, dass ich nicht mehr zu sehen war; dann begann er zu laufen. Ich zog meinen Ãberwurf hoch und streckte genau in dem Moment einen Fuà aus, als er auf gleicher Höhe mit mir war. Wie beabsichtigt, landete er bäuchlings auf dem Boden. Ich war auf ihm, noch bevor er begriff, was geschehen war, und drückte ihn mit einem Knie im Kreuz nach unten. AuÃerdem machte ich ihn zusätzlich bewegungsunfähig, indem ich ihm den rechten Arm hinter dem Rücken nach oben zog. Rasch schätzte ich ihn ein: Er war schlecht gekleidet, stank und war nicht mehr sehr jung. Er hatte weder die Kraft noch die Fähigkeit, sich mir zu widersetzen. Seine Kleider waren zerschlissen, aber ich konnte etwas Stickerei auf dem erkennen, was vom Kragen übrig war: Perlenstickerei der Quyr, wenn ich mich nicht irrte. Die Rebellion in den Gebieten der Quyr und die Versuche der Legionäre, die Aufsässigen zu unterwerfen, hatte viele Quyrioten aus ihrer Heimat in den Bergen vertrieben. Einige hatten sich bis nach Tyr durchgeschlagen, in der Hoffnung, hier irgendwie überleben zu könnenâ auf ehrliche Weise oder anders; zweifellos war
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