Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
plötzlich wieder ein Kind. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er sie überaus gern hatte oder sie weiterhin für das lästigste Gör halten sollte, das ihm jemals begegnet war. » Jetzt weiß ich, wie es sein muss, eine kleine Schwester zu haben«, dachte er.
Er sah sie erst am nächsten Tag wieder, als sie ihren Platz in der stetigen Reihe von Heilern einnahm, die im Laufe des Tages bei ihm auftauchten. Er hatte sich gegenüber Temellin beklagt und gesagt, dass er wirklich nicht krank genug wäre, um so viel Aufmerksamkeit zu benötigen, aber Temellins Antwort war streng gewesen: » Diese Heiler sind der Grund, warum du dich so fühlst, wie du dich fühlst, was du niemals vergessen solltest.« Derart zurechtgewiesen, fügte er sich mit so viel Dankbarkeit, wie er aufbringen konnte, wenn wieder ein wortkarger Imago kam, seine Hand nahm und sich auf seine Arbeit konzentrierte.
Als Samia an der Reihe war, strahlte er allerdings. Schon in dem Moment, als sie den Raum betrat, fühlte er sich glücklicher– ohne dass es einen guten, leicht erkennbaren Grund dafür gab. Sie war herrisch, sie schimpfte, sie sprach viel zu viel, sie behandelte ihn, als wäre er ihr jüngerer Bruder– und doch wurde er fröhlicher, wenn sie bei ihm war.
» Ich habe eine gute Idee, wenn du bereit bist zuzuhören«, verkündete sie. » Ich denke zumindest, dass sie gut ist.«
» Hoffentlich nichts, weswegen ich mich gleich wie ein schrecklicher Narr fühlen werde, weil ich nicht selbst schon drauf gekommen bin.«
» Oh, die meisten Jungen in deinem Alter sind schreckliche Narren«, sagte sie. » Ich weiß nicht genau, warum. Sieh dir Perradin und Bevran und…« Er starrte sie finster an, und sie verzichtete darauf, den Gedanken weiter auszuführen. » Wie auch immer, ich habe mir Folgendes überlegt. Wenn ein Cabochon zerbrochen wird, oder wenn wir unsere ganze Macht aufgebraucht haben, wird der Edelstein gewöhnlich klar. Ich habe mit dem Heiler gesprochen, der dich als Erster gesehen hat. Er hat gesagt, dass dein Cabochon farblos war, wie klarer Quarz. Als du dich dann erholt hast, hat er etwas von seiner Farbe zurückgewonnen, wie bei jedem, wenn sich die verbrauchte Macht wieder aufbaut.«
Er sah auf seine Hand und schnaubte. » Das ist nur eine blasse Spiegelung dessen, was einmal war. In Tyrans hatte ich eine Zofe, die einmal eine Theura war. Ihr Cabochon ist von den Legionären zertrümmert worden. Er war blassgrün; ein hübscher Farbton, aber nicht mehr das schöne, tiefe Smaragdgrün, das es hätte sein sollen. Sie hatte keine Macht. Gar nichts. Nie wieder.«
» Nein, und ich schätze, das wird bei dir auch so sein. Der Schnitt ist da, und nichts kann daran etwas ändern– aber du bist mit Macht geboren worden, und jedes Mal, wenn ein Magor diese Macht benutzt, wird sie erneuert. Vergiss nicht, der Edelstein verstärkt nur das, was der jeweilige Magor ihm gibt. Mit anderen Worten, du bringst immer noch Macht hervor. Ich denke, ein zerschnittener Cabochon funktioniert im Prinzip immer noch– nur dass die Macht gleich aus ihm heraussickert.«
Er starrte wieder auf seine Hand. » Willst du damit sagen, dass ich immer noch Macht habe?« Er sah seine Hand angewidert an. Wenn er darüber nachdachte, war es offensichtlich. Götter im Elysium, was musste er tun, um etwas endgültig loszuwerden, das er nicht haben wollte? Laut sagte er mit einer Stimme, in der Verzweiflung mitschwang: » Ganz egal, wie viel Potenzial noch da ist– es hat jetzt keinerlei Bedeutung mehr, oder? Also, was für eine geniale Idee hast du nun?«
» Ich kann heute Nacht einen Einschließungszauber um deine Hand errichten. Ich werde ihn fest über deinen Cabochon spannen und an deinem Bett befestigen, so dass deine Hand auf diese Weise gefangen ist. Ich weiß, dass Einschließungszauber gewöhnlich nicht zu meinen stärksten Fähigkeiten zählen, aber wenn es nur ein winziger ist, kann ich ihn vermutlich fest genug machen, um deine Macht vorübergehend daran zu hindern herauszuströmen.«
» Aber warum solltest du das tun wollen?« Er starrte sie ehrlich verwundert an.
Sie verdrehte die Augen. » Bewahre mich vor der Dummheit der Sprösslinge! Um dir genügend Macht zu geben, dass du Tarran rufen und mit ihm sprechen kannst, natürlich. Glaubst du denn etwa nicht, dass Tarran sich vielleicht genauso viele Sorgen um dich macht wie du um ihn?«
» Oh. Oh!« Er dachte darüber nach. Das könnte klappen. Für eine Weile zumindest.
Aber was, wenn er
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