Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Jenseits aller Höllen, die sich irgendeine Religion ausdenken kann. Glaub mir, Arrant. Es ist eine Wahrheit, die ich noch nicht einmal anfangen kann dir zu erklären.«
Er setzte sich auf und zog Arrants Kopf hinunter an seine Brust, strich ihm über die Haare, als wäre sein Sohn wieder ein kleiner Junge. Und für einen ganz kurzen Moment funktionierte Arrants Cabochon, und er spürte eine Woge von Liebe durch sich hindurchwogen und dann verebben wie eine Ozeanwelle, die weitergereist war. Er seufzte, als die Farbe in seinem Cabochon verblasste.
Sein Vater mochte nicht gesehen haben, wie die Farbe verschwand, aber er musste gespürt haben, dass die Macht versickerte, denn er sagte: » Du hast einen Zweck, auch wenn du noch nicht erkennen kannst, was für einen. Zweifle nie daran. Blind zu sein ist für einen Magoroth nicht so schlimm, weißt du. Zum Beispiel kann ich dir sagen, wo jeder einzelne Mensch in diesem Lager in genau diesem Moment ist. Ich weiß, wer sie sind. Ich kann dir sagen, wie sie sich fühlen, während sie das tun, was sie tun müssen. Ich muss ihre Gesichter nicht sehen. Ich weiß sogar, wo jedes einzelne Slecz angebunden ist.«
Der Mut seines Vaters schnürte Arrant vor Stolz die Kehle zu. Temellin, der Illusionist, bedachte bereits seine Stärken und nicht seine Schwächen.
» Und jetzt erzähl mir, hast du deinen Bruder dort getroffen?«
Arrant setzte sich auf und vergrub seine eigene Schwäche tief in seinem Innern. » Nein.« Er zögerte. Dies war nicht der richtige Augenblick, um über Tarran zu sprechen– darüber, dass er wirklich existierte. Er holte tief Luft und bündelte seine Emotionen. » Nein, er war nicht da. Ich muss mit dir über ihn sprechen, aber das hat Zeit. Jetzt ist wichtiger, dass die Illusionierer eine Botschaft für dich hatten. Sie sterben alle, auch mein Bruder. Sie haben gesprochen, als wären sie dem Ende nahe.«
» Oh.« Temellin bewegte sich unbehaglich, aber Arrant konnte nicht erkennen, ob vor Schmerz oder Kummer oder Sorge. » Das sind keine guten Neuigkeiten. Auch wenn ›dem Ende nahe‹ noch eine Weile hin sein kann, wenn man bedenkt, wie ein Wesen die Zeit zählt, das seit Hunderten von Jahren lebt. Allerdings hatte ich mich schon gefragt, ob nicht eine Katastrophe in der Illusion das Einzige wäre, das erklären würde, warum sie so plötzlich verschwunden sind, bevor du sicher wieder auf der Strebe warst.«
» Da ist noch mehr. Und es ist auch nicht gut.« Arrant schluckte und sagte seinem Vater all das, was er von den Illusionierern über die Verheerung und den Wind erfahren hatte.
Temellin schwieg lange, ehe er wieder sprach– und die Traurigkeit in seiner Stimme sagte dann alles. » Als die Legionen besiegt waren, dachte ich, unsere Zeit des Kämpfens wäre vorüber. Es scheint, als hätte ich mich geirrt.«
» Was können wir tun?«
» Ich muss mit dem Rat darüber sprechen. Wir hatten vor, uns an das Abkommen zu halten und der Illusion fernzubleiben, aber es hat den Illusionierern nicht geholfen und unserer eigenen Zukunft offenbar auch nicht. Vielleicht müssen wir das Abkommen wieder brechen und in die Illusion zurückkehren. Vielleicht müssen wir wieder kämpfen, müssen dieses Mal eine andere Schlacht schlagen, und noch dazu eine, auf die ich keine große Lust habe. Zu viele von uns werden sterben. Aber nicht zu kämpfen– das kann keine Alternative sein. Wie es scheint, wird Kardiastan untergehen, wenn diese Schlacht verloren geht.« Seine Finger tasteten unruhig an dem Umhang herum, mit dem er zugedeckt war. » Ich habe bisher noch keine Berichte darüber bekommen, dass Bestien der Verheerung in Kardiastan gesichtet worden wären, aber es könnte natürlich so sein. Die Gebiete, die der Zitterödnis am nächsten liegen, sind nur dünn besiedelt.«
Arrant schwieg. Er rief sich seine Träume in Erinnerung und versuchte sich vorzustellen, dass solche Kreaturen auf die wirkliche Welt losgelassen würden. Dass sie zum Beispiel in irgendeiner Stadt plötzlich auf der Straße auftauchen würden. Geifernde Kiefer. Funkelnde Augen. Unersättliche Gier danach, zu zerfleischen und zu reißen und zu fressen…
» Die Illusionierer– waren sie in der Lage, dir zu helfen, was deine Macht betrifft?«, fragte Temellin.
» Sie sagten, dass meine Macht da ist und ich nur nicht wüsste, wie ich sie benutzen soll. Sie schienen nicht zu wissen, wieso, abgesehen davon, dass sie bezweifeln, dass ich es jemals lernen werde. Sie glauben nicht, dass
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