Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Sehfähigkeit geraubt hatte?
Er stand auf und ging zu Temellin hinüber. Garis überließ ihm seinen Platz und ließ sie beide allein. Temellin war fest in seinen Umhang eingewickelt, und er schlief offenbar tief und fest, als das Licht sich wieder in die Welt stahl.
Ein neuer Tag. Eine neue Morgendämmerung. Arrant hatte sein Magorschwert, irgendwo. Und sein Vater war blind. Blind geworden im Austausch gegen eine Klinge, die in den Händen seines Sohnes nutzlos war. Arrant ließ den Kopf in seine Hände sinken, aber er konnte nicht einmal weinen. Er hatte das Gefühl, als könnte er nie wieder weinen. Mancher Kummer war einfach zu bitter– und ging zu tief– für Tränen. Sein Vater hatte gesagt, dass er seine Kindheit hinter sich lassen musste. Nun, das hatte er getan. Sein Magorschwert mochte ihm zwar nicht gehorchen, aber er war, trotz allem, jetzt ein Mann.
Wir haben ihn im Stich gelassen, du und ich, Tarran. Und jetzt ist er blind. Hast du mich gehört, Bruder? Hast du mich gehört und bist nicht gekommen?
Er konnte es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben. Ein Angriff der Verheerung hatte ihn daran gehindert zu kommen. Oder vielleicht lag es auch daran, dass die Zitterödnis eine Welt war, in der die Magormagie immer etwas gedämpft war, und Tarran hatte ihn einfach nicht gehört. Die Zitterödnis hatte ihre eigene Magie, oder? Sie war anders, fremdartig, und sie dämpfte die Macht, die den Magori von den Illusionierern gegeben wurde. Er zitterte. Die Leute unterschätzten die Zitterödnis. Sie war nicht einfach nur tödlich: Sie war lebendig. Sie war auf irgendeine bizarre Weise empfindungsfähig. Sie sprach eine Sprache. Das Problem war, dass niemand sie verstehen konnte. Seine Halskette hatte es ihm beinahe ermöglicht, sie zu verstehen, doch den letzten Schritt hatte er nicht machen können, um eine Kommunikation zu beginnen. So, wie sie dafür sorgte, dass er zwar die Gefühle seines Reittiers wahrnahm, aber das war dann auch alles.
Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie er seiner Mutter erzählen sollte, was passiert war. Und es war besser, nicht daran zu denken, dass Temellin bald schon die Augen öffnen und in eine Welt der Dunkelheit blicken würde, in dem Wissen, dass er wahrscheinlich nie wieder würde sehen können.
» Denk stattdessen an die Illusionierer«, sagte er sich. » Denk darüber nach, wie ihnen geholfen werden kann. Denk darüber nach, wofür die Illusionierer die Zitterödnis brauchen. Könnte es daran liegen, dass sie mehr als eine Illusion benötigen, um zu kommunizieren?« Sie mussten etwas haben, das real war. Wie das Lied der Zitterödnis, das sie dann in Sprache verzerrten. Arrant fingerte an den Runen seiner Halskette herum und wünschte sich, er würde mehr verstehen, als er tat.
Als das Lager sich bei Anbruch des Morgens zu rühren begann, stellte er fest, dass es eine Grenze dessen gab, wie gut er sich ablenken konnte. Als sein Vater im Schlaf stöhnte und den Namen seines Sohnes murmelte, fragte Arrant sich, ob er immer dazu verdammt sein würde, Dinge zu tun, die den Menschen, aus denen er sich etwas machte, Schmerz zufügten, sie verstümmelten oder töteten. Sein Vater war geblendet, weil er ihm das Leben gerettet hatte. Brand war getötet worden, weil er Sarana vor den Folgen seines Verrates retten wollte. Sarana war verletzt worden, als sie ihn vor seiner Dummheit retten wollte. Foran war tot, weil Arrant unbedingt näher an die Schlacht hatte herangehen wollen. Soldaten waren zerfetzt worden, weil er seine Macht nicht hatte kontrollieren können. Tarran war ohne seine Zuflucht, weil er, Arrant, ihn verraten hatte…
» Ich hätte einfach weiter in die Zitterödnis gehen sollen.«
Er hatte nicht laut gesprochen, aber eine Hand packte seine mit einem starken, festen Griff. Die Hand seines Vaters, die seine unfehlbar fand. Er hatte immer noch große Kraft und schloss jetzt tröstend die Finger um seine. Seine Stimme war heiser, als er sagte: » Danke. Du hast mir da drinnen das Leben gerettet.«
» Ich habe dich in Gefahr gebracht.« Arrant stockte bei seiner Entschuldigung. » Ich… es tut mir so leid.«
» War nicht dein Fehler. Es war ihrer. Der der Illusionierer. Sie sind verschwunden, oder? Lange, bevor sie es hätten tun sollen. Wir hätten diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, auch wenn so etwas noch nie geschehen ist. Ich bezahle einen hohen Preis dafür, aber so sei es. Wärst du gestorben, wäre der Preis unerträglich gewesen.
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