Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
glitschig. Dreimal stürzte er schmerzhaft, beim letzten Mal übergab er sich sogar, nachdem sein Kopf auf einen Stein geschlagen war.
Draußen vor dem Überhang lagen Tote. Drinnen spuckte das Feuer, das fast schon erloschen war.
»Nein«, stöhnte er mit zusammengebissenen Zähnen. Vor einem Haufen Ausrüstung blieb er schwankend stehen und sah zu seiner großen Erleichterung, dass die beiden Toten, die mit dem Gesicht nach oben im Regen und im Nebel lagen, nicht zum Raben gehörten. Richmond und Talan saßen aufrecht am Feuer. Talans Augen waren offen, Richmond hatte die Augen geschlossen, doch unverkennbar atmete er.
Talan lächelte mühsam. »Hirad, den Göttern sei Dank. Ich dachte schon, du wärst tot.«
»Wo?« Hirad deutete auf die leeren Plätze am sterbenden Feuer. Talan brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Die Schwarzen Schwingen haben uns angegriffen. Sie sind einfach aus dem Nebel aufgetaucht. Denser muss etwas gespürt haben, denn er hat die beiden da noch erledigen können.« Schwer atmend hielt er inne. Hirad bemerkte, wie seine Augen sich verschleierten. Unter seiner Nase klebte geronnenes Blut.
»Sie haben sie verschleppt, Hirad. Sie haben Ilkar und Denser verschleppt.«
»Lebendig?«
»Ja, ich glaube schon. Ich war da aber schon bewusstlos. Bei den Göttern, dieses Brophane ist verdammt stark. Ich fühle mich so elend.« Talan riss die Augen auf, öffnete den Mund und massierte sein Gesicht. Dann schüttelte er heftig den Kopf und schloss den Mund wieder. »Nein, das hilft auch nicht. Was tun wir jetzt?«
»Wir wecken Richmond und setzen uns in Bewegung.« Hirad zuckte mit den Achseln. »Was sollten wir sonst tun? Kannst du reiten?«
Talan lachte humorlos.
»Was ist denn?«
»Hirad, dir ist etwas entgangen.«
Der Barbar ließ die Schultern hängen. »Sie haben die Pferde mitgenommen.«
Talan nickte.
»Verdammt auch! Warum haben sie uns nicht einfach getötet? Dann wäre es aus und vorbei.«
»Sie kämpfen nicht gegen uns«, erklärte Richmond, der jetzt endlich die Augen öffnete. »Sie kämpfen gegen die Kollegien.«
»Tja, da haben sie sich wohl in der Adresse geirrt, was?«, sagte Hirad sichtlich erbost.
»Allerdings«, stimmte Talan zu. Er kam mühsam auf die Füße.
»Wie weit ist es bis zur Burg der Schwarzen Schwingen?« , fragte Hirad.
»Sechs Stunden zu Fuß. Sieben, weil es dunkel wird und weil wir nicht sehr gut in Form sind.« Talans Gesicht war in der Abenddämmerung teigig weiß.
»Das ist verdammt lange«, sagte Hirad. »Also gut. Ihr habt zehn Minuten, um euch zu sammeln und auf den Marsch vorzubereiten. Alles klar?«
»Was wollen wir denn tun?« Richmond war immer noch
nicht ganz bei sich. Seine Beine zitterten, als er sich an der Wand abstützte und aufstand.
»Wir werden sie befreien. Und dann werden wir die Burg und alle Leute darin niederbrennen.« Hirads Kopf wurde allmählich wieder klar, auch wenn sein Körper nach der Betäubung noch geschwächt und die Muskeln verkrampft waren. »Wenn sie die Gefangenen nicht umgebracht haben, dann nur, weil sie sie noch brauchen. Es kann nur um Informationen gehen, und ihr wisst ja, wie sehr Magier es hassen zu reden.«
Richmond und Talan sahen ihn an und nickten. Sie hatten verstanden.
Eine Bewegung erregte Hirads Aufmerksamkeit. Unter Richmonds Mantel, der neben der toten Asche des Feuers lag, hatte sich etwas bewegt. Als Hirad den Blick darauf richtete, kam ein schwarzer Kopf darunter hervor und schnüffelte prüfend in der Luft. Densers Katze schaute zu ihm auf, dann sprang sie ihm auf die Schulter und drehte sich rasch um, damit sie sein Gesicht sehen konnte.
»Oh, du hast wohl einen neuen Freund gefunden, Hirad«, sagte Talan. Er lächelte leicht.
»Ich glaube nicht.« Die Katze miaute laut und gedehnt. »Wir gehen ja schon, wir brechen gleich auf. Wir werden ihn schon finden.«
Die Katze schaute an Hirad vorbei das Tal hinauf. Der Nebel war etwas lichter geworden, aber der Regen und die aufziehende Dämmerung sorgten dafür, dass die Sicht nach wie vor schlecht war.
»Ob er das verstanden hat?«, fragte Richmond.
»Wahrscheinlich.« Hirad zuckte mit den Achseln. »Nun kommt, lasst uns hier verschwinden.«
14
»Ein hässlicher Spruch ist das. Da hast du aber eine kleine Überraschung für irgendjemanden vorbereitet, was?« Travers hatte sich dicht über Densers zerschnittenes, blutendes Gesicht gebeugt und ließ das Amulett an der Kette baumeln, bis es sachte gegen das linke Ohr des
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