Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
dass der Hausgeist lediglich als Beobachter ausgesandt war, dass sein Herr Denser sich währenddessen ein gutes Stück von Dordover entfernt im Wald aufgehalten hat und niemals die Stadt betreten hätte, wäre nicht sein Hausgeist entführt worden. Ich erwarte wirklich nicht, dass unser Diebstahl gutgeheißen wird, aber ich hoffe doch, dass alle die Notwendigkeit verstehen und wissen, dass wir geplant haben, den Ring leise, friedlich und ohne Einsatz von Magiern aus einem anderen Kolleg als Dordover selbst an uns zu bringen. Zu Gewalttaten kam es nur durch das Eingreifen eines einzelnen Magiers, der die unvermeidlichen Konsequenzen erleiden musste, nachdem er einen Hausgeist gefangen genommen hatte.«
Am Tisch wurden hektisch Notizen gekritzelt. Die Delegierten
steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, während Styliann ihnen zuschaute.
»Widersprecht Ihr Stylianns Beschreibung der Ereignisse?« , fragte Barras nach der Beratung.
»Der Hausgeist wurde außerhalb der Kolleg-Mauern gefasst«, räumte Vuldaroq ein. »Aber vergesst nicht, dass zu diesem Zeitpunkt bereits zwei unautorisierte Individuen in unser Gelände eingedrungen waren.«
»Ich fürchte, Eure Zeitangaben entsprechen nicht ganz den Tatsachen.« Stylianns Lächeln war mit Verachtung gewürzt. »Die beiden Mitglieder des Raben, die Ihr hier ansprecht, wurden von ihrer Position außerhalb der Mauern aus Zeugen der Entführung.«
»Während sie planten, illegal dort einzudringen.«
»Ihre Taten stehen nicht zur Debatte«, durchbrach Heryst mit sanfter Stimme das Schweigen. »Die Handlungen Eures Kollegs dagegen schon.«
»Wir sind hier die Opfer!« Vuldaroq sprang auf und schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch.
»Sofern es um den Diebstahl des Rings geht, zweifellos.« Heryst zuckte mit den Achseln. »Allerdings stützt Ihr Eure Einwände gegen die Aktionen von Xetesk auf den Tod eines Magiers. Dieser Magier hat jedoch außerhalb der Kollegmauern einen Hausgeist entführt.« Er beugte sich vor, und man sah, dass ein kleines Lächeln um seine Lippen spielte. »Das erste Verbrechen des Abends wurde von Dordover begangen.«
»Und was wollt Ihr damit sagen?« Vuldaroq wischte sich den Schweiß aus dem geröteten Gesicht und von der Stirn und ließ ein wenig die Schultern hängen.
»Ich will damit sagen, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Vorgängen zu tun haben, die Ihr miteinander in Verbindung gebracht hat. Einen Vorfall hat Styliann gestanden,
und er hat seine Gründe genannt. Der zweite, so bedauerlich er auch war, wurde anscheinend von einem Dordovaner ausgelöst, der einen Xeteskianer und seinen Hausgeist ins Kolleg brachte, wo sie sonst nicht gewesen wären, und dies zog unausweichliche Konsequenzen nach sich.«
»Unausweichlich? Seit wann ist Mord unausweichlich?«
»Genug!« Styliann erhob sich wieder. »Ihr wisst genau, wie eng das Band zwischen einem Xetesk-Magier und seinem Hausgeist ist, und auch Euer dummer Student muss dies gewusst haben. Vielleicht wäre es ihm unter anderen Bedingungen sogar gelungen, beide gefangen zu nehmen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, warum er den Wunsch haben sollte, so etwas zu tun. Sein Unglück war allerdings, dass er den Hausgeist eines außerordentlich begabten Mannes gestohlen hat. Denser war gezwungen, seinen Hausgeist zu befreien, und dadurch wurde dem Leben Eures Mannes ein Ende gesetzt. Ich habe wenig Mitgefühl für ihn.
Nun denn, es handelt sich also um zwei verschiedene Vorgänge, wie Heryst bereits dargelegt hat. Reden wir über den Diebstahl. Ich habe erklärt, warum wir ihn durchgeführt haben und warum wir heimlich vorgegangen sind. Vuldaroq hat soeben demonstriert, dass unsere Geheimhaltung absolut gerechtfertigt war. Wir gehen einer Katastrophe entgegen, wenn wir nicht zusammenarbeiten. Ich brauche Eure Unterstützung, und ich muss sicher sein, dass Ihr wie ich der Meinung seid, dass Dawnthief die einzige Möglichkeit darstellt, die Gefahr erfolgreich zu bekämpfen.«
»Ich stimme Euch zu«, sagte Barras. »Andererseits fühle ich mich persönlich brüskiert, da Ihr mir so wichtige Informationen vorenthalten habt.«
»Ich verstehe.« Styliann kratzte sich am Ohr. »Nun gut, lasst
es mich so ausdrücken. Nehmen wir einen Augenblick an, ich hätte schon beim letzten Treffen offen über Dawnthief gesprochen, und wir, die Delegierten der vier Kollegien, hätten uns an den Rat von Dordovan gewandt und um Arteches Ring gebeten. Was wäre das Ergebnis gewesen?
Weitere Kostenlose Bücher