Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
Magiern. Laryon wurde an der Schläfe getroffen und prallte gegen die Wand. Er sackte stöhnend zu Boden, aus dem Mund rann ein Blutfaden.
Der jüngere und schnellere Denser duckte sich rasch. Er spürte, wie das Mana über seinen Kopf hinwegsauste, und fühlte einen Zug im Haar, als die Dämonen körperliche Gestalt annahmen.
Er war jetzt auf sich allein gestellt und bemühte sich, das Ende des Mana-Kanals zu schließen, doch als er sah, wie das Ende der Kette das Mana zu zerfetzen drohte, wusste er, dass es vergebens war.
Als die Kette sich dann wie eine Schlange aufbäumte, um noch einmal zuzustoßen, spürte Denser etwas, das er noch nie in dieser Form empfunden hatte. Er hatte Angst. Angst, weil er nicht die Macht gehabt hatte, die Dämonenkette davon abzuhalten, körperliche Gestalt anzunehmen, und Angst, weil er sie nicht davon abhalten konnte, ihn zu töten. Doch vor allem hatte er Angst, weil er nicht wusste, was man in so einem Fall tun musste, und diese Bildungslücke sollte sich nun als tödlich erweisen.
Die Kette wand sich, Densers Mana-Kanal wurde zerfetzt, und die Dämonen brüllten ihm ihren Hass in die Ohren. Sie verhießen ihm den Tod. Sie versprachen ihm ewige Qualen und lachten über seine Schwäche.
Die Kette schlug nach ihm und verfehlte ihn knapp, weil er im letzten Moment zur Seite sprang. Er landete schwer neben dem reglosen Laryon. Der Magier lebte noch. Denser schüttelte ihn heftig.
»Helft mir!«, rief er. Laryon stöhnte. »Helft mir!«, rief Denser. Aus dem Augenwinkel sah er die Kette mit irrwitziger Geschwindigkeit erneut ausholen und geräuschvoll knapp am Kopf des Unbekannten vorbeizischen. Der Krieger lag langsam atmend auf der Platte und wusste nicht, was um ihn geschah.
Laryon sagte etwas, das Denser nicht verstehen konnte.
»Was?«
»Lischp«, sagte Laryon.
»Das verstehe ich nicht.«
Laryon schlug die Augen auf und schaute an Denser vorbei, dann packte er den Kopf des Magiers mit beiden Händen und zog sein Ohr nahe an seinen Mund. »Lichtspiegel«, flüsterte er, bevor er Densers Kopf fest an die Brust presste. Über Denser fuhr die Dämonenkette in Laryons Gesicht, und sein Schmerzensschrei brach abrupt ab. Seine Hände sanken kraftlos zu Boden.
Denser sah hinter sich. Die Dämonenkette zuckte, immer noch mit dem Boden der Kammer verbunden. Das Gelächter hallte von den Wänden wider, der Triumph schien vollkommen.
Denser kam mühsam auf die Beine und hielt noch einmal kurz inne, um nach Laryon zu schauen. Er schauderte. Der Meister schien äußerlich unverletzt und hatte im Tod die Augen geöffnet. Durch sie konnte Denser in seine Seele sehen. Doch die Seele war nicht mehr da.
Er drehte sich wieder zur Dämonenkette um und bildete die Mana-Form für den Lichtspiegel. Es war eine einfache, rechteckige Struktur, die er in wenigen Sekunden
aufgebaut hatte. Die Kette spannte sich wieder und drehte sich um sich selbst wie Papier im Wirbelwind. Dann verharrte sie, bereit zum Zuschlagen, und Denser hörte die wilden Wutschreie in seinen Ohren hämmern.
Als sie zuschlagen wollte, wirkte er den Spruch. Ein dünner, horizontaler Lichtstrahl von etwa acht Fuß Breite durchschnitt dicht über dem Fußboden den von Kerzen erhellten Raum. Die Kette peitschte nach vorn, und Denser riss abrupt die Hände hoch. Der Lichtspiegel kippte in die Senkrechte, als wäre eine Jalousie vor einem Fenster hochgezogen worden, um die Sonne einzulassen.
Strahlendes Licht durchflutete den Raum. Der Spruch sammelte das Kerzenlicht und warf es hundertfach verstärkt zurück. Die Dämonenkette kreischte erschrocken und wollte sich zurückziehen, doch ihr blaues Mana-Licht fiel dem Spiegel zum Opfer.
Denser schirmte die Augen ab, als das Licht mit zunehmender Geschwindigkeit aus den heulenden Dämonen gesogen wurde. Immer heftiger und schneller strömte das Licht in den Spiegel, und die Mana-Kreaturen heulten, als ihnen die Lebenskraft entzogen wurde. Dann waren sie verschwunden, und es wurde still. Nur das Echo der Gewalttaten und ein sanfter blauer Schein blieben im Mana-Spektrum zurück.
Denser wechselte zum normalen Licht und sah, dass der Unbekannte sich aufgesetzt hatte.
Sie ließen das Licht im Bauernhaus brennen. Hirad gefiel es nicht, aber es war sinnvoll. Der Triverne-See war der einzige Zufluchtsort für den Raben und – vielleicht noch wichtiger – für die beiden Katalysatoren, die er besaß. Da dort am See alle vier Kollegien stark vertreten waren, sollte es keine
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