Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
immer war das Geräusch von fließendem Wasser zu hören. Wenn man den Pass im Galopp durchquerte, brauchte man etwas mehr als vier Stunden.
Als er in den Pass eindrang, ritt Darrick voller Ehrfurcht durch das Zerstörungswerk, das die Xeteskianer mit ihrem Dimensionszauber angerichtet hatten. Lichtkugeln verscheuchten die Schatten, als die Kavallerie durch die Überreste der Befestigungen der Wesmen ritt. Im ersten Abschnitt des Passes waren wenige Anzeichen dafür zu sehen, dass es hier einmal befestigte Anlagen gegeben hatte.
Hier und dort klemmten noch Balken in den Fugen der Steinwände, einige Steinhaufen waren an den Seitenwänden des Passes aufgetürmt, und Bohlen und zerfetzte Bretter waren von der Gewalt des Wassers wie Speere in Spalten getrieben worden. Von den Wesmen war keine Spur zu sehen.
Als der Pass sich zu beiden Seiten öffnete, sah Darrick, wie gründlich der Zauber gewirkt hatte. Hier, das wusste er, war die Verteidigung der Wesmen am stärksten konzentriert gewesen. In die Wände waren Stellungen für Armbrustschützen und Katapulte geschlagen worden, es gab Galerien für Bogenschützen und Pechnasen. Quartiere für viertausend bis siebentausend Mann waren tief in den Fels
gegraben worden. Mindestens eine halbe Meile weit erstreckten sich die Räume und Durchgänge zu beiden Seiten des Passes.
Doch die Stille, die nur vom Geräusch fließenden Wassers durchbrochen wurde, erzählte ihre eigene schreckliche Geschichte und bewies, wie genau die Xeteskianer gerechnet hatten.
Der Dimensionsriss war breiter gewesen als der erste Abschnitt des Passes. Der Ozean, der sich ohnehin schon mit ungeheurer Geschwindigkeit bewegte, war gezwungen worden, sich durch die schmalere Öffnung des Passes zu zwängen und hatte Druck und Geschwindigkeit aufgebaut, bevor er die Kammern erreichte, in denen sich viele völlig unvorbereitete Wesmen aufhielten.
Nichts außer einer rechtzeitigen Evakuierung hätte sie retten können. Das Wasser hatte jeden Durchgang, jeden Raum und jede Stellung überflutet und die Wesmen aus dem Understone-Pass gefegt.
Von einigen höheren Positionen und Durchgängen, die Darrick sehen konnte, lief noch das Wasser herunter. Als er weiter vorstieß, hörte er hinter sich seine Männer keuchen, sobald sie die durchnässten ehemaligen Verteidigungsanlagen der Wesmen sahen. Die zerstörten Befestigungen funkelten im Licht der magischen Kugeln, Pfützen warfen tanzende Schatten auf die Wände und das Felsendach, das hier wieder höher war.
»Sie konnten nicht einmal weglaufen«, flüsterte Darrick. Er wunderte sich selbst, dass er für die Männer, die keine Chance gehabt hatten, sogar ein wenig Mitleid empfand. Nein, sie hatten überhaupt keine Chance gehabt.
»Sollen wir die Kasernen durchsuchen, Sir?«, fragte einer seiner Leutnants.
Darrick schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ihr
sehen wollt, was dort vielleicht noch übrig ist.« Er bewegte sich langsam weiter, sah sich um und kratzte sich am Kopf. »Wie tief ist die Flutwelle vorgedrungen?«
»Die Xeteskianer glauben, er habe möglicherweise das erste Drittel des Passes erfasst, bis die ersten tiefen Abgründe kommen«, erklärte ein Adjutant.
»Ich frage mich, wie weit man diese Art Forschung noch treiben sollte«, meinte Darrick.
Ilkar äußerte sich ähnlich, als der Rabe im Schein von Eriennes Lichtkugel das Zerstörungswerk betrachten konnte. »Wir wissen einfach nicht genug über die Auswirkungen, die es nach sich zieht, wenn man Dimensionen verbindet und Material von einer zur anderen befördert«, sagte er.
»Es kommt natürlich auch darauf an, wie oft ein Spruch benutzt wird«, erwiderte Denser. »Heute haben wir eine relativ geringe Menge von Wasser gesehen, die viel zu klein war, um in einer der Dimensionen irgendeine Rolle zu spielen.«
»Aber es ist ein Ungleichgewicht entstanden, so klein es auch sein mag. Das kann man nicht bestreiten«, sagte Ilkar.
»Stimmt, aber ein Sandkörnchen, das von einer Seite der Waage auf die andere verlagert wird, macht keinen Unterschied.«
»Eines Tages wird es aber ein Sandkörnchen geben, das die Waage ausschlagen lässt, wenn die Verlagerung immer nur in eine Richtung geschieht«, erwiderte Ilkar. »Und was dann?«
»Es ist doch eine Schande«, sagte der Unbekannte, »dass so ein Spruch nur für den Angriff in Betracht gezogen wird. Stellt euch vor, was man damit tun könnte, wenn man unter einem Süßwassersee ein Loch öffnet und das Wasser über einem
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