Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
tief in ihr Gebiet eindringen. Wenn wir auf einen weiteren Hinterhalt treffen, dann will ich im Galopp durchstoßen.«
»Das ist äußerst riskant«, sagte der Xeteskianer.
»Ich weiß, aber wir müssen die Initiative ergreifen. Sie hätten eigentlich nicht so gut vorbereitet sein dürfen. Sie hätten unseren Weg nicht kennen dürfen. Keinesfalls.«
Der Magier zog die Augenbrauen hoch. »Womöglich ist die Auferstehung der Wytchlords viel näher, als wir dachten.«
»Werdet Ihr es mit dem Schild versuchen?«, fragte Darrick.
Der Xeteskianer nickte. »Wenn Ihr es wünscht, selbstverständlich.«
»Ich wünsche es. Also gut, ich muss noch mit den Männern reden und sie auf das vorbereiten, was kommt. Es wird eine höllische Jagd werden.« Darrick lächelte. »Zwei Tage, um Balaia zu retten. Seid Ihr bereit?«
Lord Tessaya stand mit seinen Schamanen auf einem Hügel vor dem Understone-Pass, den er vor kurzem verloren hatte. Er war sicher, dass er ihn bald wieder einnehmen
würde. Dreißigtausend seiner Landsleute, nicht wenige davon hatten vor weniger als einem Jahr noch zu seinen Feinden gezählt, lagerten nur wenige Stunden vom Pass entfernt. Ein Dutzend Schamanen rückte, geschützt von Tessayas übrig gebliebenen Truppen, bereits zum Pass vor. Weitere fünftausend Wesmen standen bereit, wieder in die Berge einzudringen. Es sollte ein süßer Triumph werden.
»Sie sollen Mann für Mann abgeschlachtet werden für das, was sie mir angetan haben. Bringt mir Darrick lebendig. Ich will mit eigenen Augen sehen, wie er einen langsamen, qualvollen Tod stirbt.« Die Schamanen nickten. Einer gab bereits die ersten Anweisungen. »Wie lange wird es dauern, bis wir unsere Positionen einnehmen können?«
»Wir werden Eure Befehle erwarten, wenn die Sonne den Zenith erreicht, mein Lord.«
Tessaya sah nach oben. Noch zwei Stunden. Zwei Stunden, und dann konnte er hoffentlich die Entsetzensschreie seiner Männer vergessen, die er gehört hatte, als das Meer aus dem Himmel gestürzt und durch den Pass gerast war. Das Rauschen des Wassers, das gegen die Mauern schlug und seine Leute wegschwemmte, ihre Schreie, ihre Rufe und ihr Flehen, das verstummte, als sie in die Abgründe gespült wurden. So viele, die niemals im Feuer der Ehre ihre letzte Ruhestätte finden durften. So viele, die keine Chance bekommen hatten, kämpfend zu sterben, wie sie es erhofft hatten.
Doch der ungeheuerliche feige Angriff sollte gerächt werden, sobald seine Leute nach Osten vorstießen und sich nahmen, was sie haben wollten. Zum ersten Mal seit Tagen konnte Tessaya lächeln.
»Ich werde aufs Pferd steigen und meine Leute dorthin führen, wo sie hingehören«, verkündete er. »Bald werden wir das Blut der Kolleg-Magier trinken.«
Der Rabe ritt schnell durch das widrige Gelände, während die Sonne am teilweise bewölkten Himmel aufstieg. Die Krieger hatten keine Verfolger gesehen oder gehört, nachdem sie vom Tempel aufgebrochen waren. Der Unbekannte konnte die Protektoren nicht mehr spüren und wusste nicht zu sagen, ob sie sich nach Osten oder nach Westen gewandt hatten. Die Rabenkrieger kamen recht gut voran, doch der Weg war schwierig, die Pferde ermüdeten schnell, und immer bestand die Gefahr, einen Unfall zu erleiden.
Doch ihre größte Sorge galt Jandyr. Der Elfen-Bogenschütze kämpfte um sein Leben. Nach der ersten Nacht, die er unter dem Bann von Eriennes Warmer Heilung schlafend verbracht hatte, bestand er darauf, reiten zu können. Doch das verspannte, kreidebleiche und von einem Schweißfilm bedeckte Gesicht verriet den Gefährten, welch große Schmerzen er litt.
Eine Stunde lang schien er sich ganz gut zu halten, doch gegen Mittag wurde er langsamer und hielt sich die meiste Zeit zwischen Denser und Erienne oder Ilkar und Erienne. Die Magier, die zugleich kundige Heiler waren, beobachteten besorgt, wie die Wunden in Schulter und Rücken wieder aufrissen. Das Blut benetzte seine Lederrüstung und das Hemd und tröpfelte am linken Arm herunter, der an seiner Seite fixiert war.
Bei der ersten Rast, nachdem Thraun und Will die Pferde überprüft, gefüttert und getränkt hatten, sammelte sich der Rabe um den keuchenden Jandyr, der sich an einen mit Moos bedeckten Felsblock gelehnt hatte. Sie hatten am Ausgang eines Tals angehalten. Unter ihnen lag Hügelland, vom Wind gepeitscht und öde, das sich nach Norden und Westen in Richtung Parve erstreckte. Hinter ihnen lag der Wald, durch den sie geritten waren und der ihnen
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