Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
besudelt.
Viele sagten, ihre Feinde fürchteten sie gerade deshalb, weil sie sich eisern an ihren Kodex hielten, und Denser war sicher, dass dieser sagenhafte Ruf ihnen einen großen Vorteil verschaffte. Das Wichtigste aber war, dass sie schon als Einzelne herausragende, wenn nicht gar brillante Kämpfer waren. Als Kampfgemeinschaft waren sie einfach fantastisch.
Doch es war der Kodex, der den Ausschlag gab, wenn die Kosten für ihren Sold in Betracht gezogen wurden. Der Kodex bedeutete, ihre Auftraggeber konnten sich darauf verlassen, dass der Vertrag erfüllt wurde und dass der Rabe den Kampf den Regeln gemäß führte.
So einfach war die Regel: Töten, aber niemals morden.
So einfach, dass viele versuchten, sie für sich zu übernehmen, wenn sie sich als Söldner oder Magier verdingten. Doch den meisten fehlte die Disziplin, die Intelligenz, das Standvermögen oder die Geschicklichkeit, in der Hitze der Schlacht, beim Sieg, beim Rückzug oder beim Nachgeplänkel an den Regeln festzuhalten. Und ganz gewiss hatte es niemand ohne jeden Makel über zehn Jahre hinweg geschafft.
Es wäre leicht gewesen, sie als Helden zu bezeichnen, doch Denser hatte sie mehr als einmal kämpfen sehen, und für ihn war offensichtlich, was sie waren. Sie waren eine Truppe von unglaublich effizienten Tötungsmaschinen. Sie töteten, aber sie mordeten nicht.
Doch als Denser sich am Tisch umsah und die Männer betrachtete, die schweigend aßen, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, da kamen sie ihm müde vor, und die Furcht traf seinen Bauch wie ein Faustschlag, als ihm bewusstwurde, dass sie ihn jederzeit abweisen konnten.
Er brauchte sie. Xetesk brauchte sie. Bei den Göttern, ganz Balaia brauchte sie, wenn die Informationen, die von den Spionen kamen, zuverlässig waren und die Wytchlords sich tatsächlich erhoben. Doch wie konnte er den Raben überzeugen, das zu tun, was getan werden musste? Und war Xetesk in der Lage, die Kollegien zu einen?
Obwohl er wusste, was noch alles geschehen konnte, fragte Denser sich, ob er nicht in genau diesem Augenblick vor der größten Herausforderung seines Lebens stand.
Der Rabe.
Er war ziemlich sicher, dass diese Männer auch durch die volle Wahrheit nicht zu beeindrucken wären. Sie übernahmen die Kontrakte nicht, weil sie an irgendeine Sache glaubten. Die tieferen Beweggründe der Auftraggeber waren ihnen sogar relativ gleichgültig. Der Auftrag selbst musste ihnen interessant erscheinen, ihrem Ruf angemessen und ihrer Aufmerksamkeit würdig. Wert, das Risiko einzugehen. Deshalb war die Wahrheit nutzlos, wenigstens bis zu dem Augenblick, in dem er sie nicht mehr verbergen konnte. Ohnehin konnte keine Entlohnung den Risiken gerecht werden, die er ihnen zumuten wollte.
Denser schob sich wieder einen Bissen in den Mund. Es war eine Schande, dass er den Raben nicht wie geplant in
Korina getroffen hatte. Dort wäre es ihm möglich gewesen, seine Verbindung zum Kolleg lange genug zu kaschieren. Der Auftrag, die Verteidigung von Burg Taranspike zu verstärken, war in den Plänen von Xetesk nicht berücksichtigt worden. Jetzt waren die Rabenkrieger gegen ihn eingestellt, und er hatte es nicht einmal geschafft, Ilkar zu überreden, dass sie sich bezahlen ließen, mit ihm nach Korina zu reisen, obwohl sie ohnehin in diese Stadt wollten.
Er schaute auf und bemerkte, dass der Blick des Unbekannten auf ihm ruhte. Der Krieger erwiderte gelassen seinen Blick, schluckte einen Bissen herunter und zielte mit dem Messer auf Denser.
»Eines musst du mir verraten«, sagte er. »Hast du schon einmal einen Drachen gesehen?«
»Nein«, erklärte Denser.
»Nein? Und was hättest du getan, wenn Hirad den Drachen nicht so wirkungsvoll abgelenkt hätte, damit du dieses Ding stehlen konntest?«
Denser musste lächeln. »Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben nicht damit gerechnet, dass dort ein Drache ist.«
»Offensichtlich. Ich vermute, dass du sonst tot wärst.«
»Kann sein.« Denser zuckte mit den Achseln. In Wahrheit war er sicher, dass er überlebt hätte, doch er konnte sehen, wohin die Unterhaltung führte, und er erkannte seine Chance.
»Ganz sicher sogar.« Der Unbekannte wischte mit einem Stück Brot über seinen Teller und schob es sich in den Mund. »Man könnte also sagen, dass wir dir, wenngleich ohne es zu wissen, geholfen haben, das Amulett zu bekommen.«
Denser nickte und füllte seinen Becher aus der Kupferkanne auf dem Tisch nach.
»An welchen Prozentsatz denkt ihr
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