Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
»Ihr solltet besser noch einmal gründlich über diese Angelegenheit nachdenken. Das Wohl Eurer ganzen Familie hängt davon ab, dass Ihr die richtigen Antworten gebt. Isman wird Euch in Euer Zimmer bringen. Isman!« Die Tür wurde geöffnet.
»Ich will zu meinen Kindern zurück«, forderte Erienne.
Mit verblüffender Geschwindigkeit langte der Hauptmann über den Tisch, packte Eriennes Kinn und zog sie zu sich herüber.
»Ihr seid hier in meiner Gewalt. Vielleicht müsst Ihr eine Weile allein verbringen, um Euch daran zu erinnern, was?« Er ließ sie los. »Wenn Ihr zu der richtigen Entscheidung gelangt seid, dann gebt mir Bescheid und kommt her. Bis dahin sollt Ihr Frieden und Stille genießen. Isman, die Audienz ist beendet.«
»Bastard«, flüsterte Erienne. »Bastard.«
»Ich muss die Unschuldigen in Balaia vor dem Ansturm der dunklen Magie schützen. Ich erwarte, dass Ihr mir dabei helft.«
»Ich will meine Söhne sehen!«, rief sie.
»Dann macht Euch nützlich und hört auf, mich mit Dingen
abzuspeisen, die jedes Kind erraten könnte!« Der Gesichtsausdruck des Hauptmanns wurde wieder freundlicher. »Bis dahin kann ich Euren Wunsch leider nicht erfüllen.« Er öffnete sein Buch und entließ sie mit einem Wink.
Alle redeten durcheinander. Ilkar brüllte Denser an, der die Hände erhoben hatte, um den anderen Magier zu besänftigen. Der Unbekannte versuchte, die Aufmerksamkeit des Xetesk-Magiers zu gewinnen, während Richmond und Talan fassungslose Blicke wechselten und verwirrte Fragen stellten.
Hirad allein schien von allem losgelöst. Sein Blick ruhte auf dem zugedeckten Leichnam von Sirendor Larn, und der Lärm kam ihm vor wie das ferne Rauschen der Brandung am Meer. Zehn Jahre. Zehn Jahre hatten sie nach der Gründung in der erfolgreichsten Söldnertruppe, die es je gegeben hatte, als Gefährten gekämpft. Unbeschadet hatten sie das Schlachtfeld verlassen, wenn überall Blut geflossen war. Sie hatten einander so oft das Leben gerettet, dass sie kaum mehr als ein Kopfnicken als Dank für nötig hielten.
Und jetzt war Sirendor tot. Kurz zuvor hatte er sein Schwert der Liebe wegen für immer in die Scheide gesteckt und war von einer Meuchelmörderin umgebracht worden, die nicht ihn, sondern einen anderen hatte töten wollen. Und warum? Weil der Mann, der den Raben in solche Gefahr brachte, den Schlüssel zur Werkstatt eines toten Magiers gestohlen hatte, und weil die Hexenjäger nicht wollten, dass er ihn behielt.
Er kochte vor Wut, und seine Stimme brachte den Lärm zum Verstummen, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben.
»Er ist für den Schlüssel gestorben, den du gestohlen hast.« Es wurde still im Raum. »So war es doch, oder? Bist
du mit deinem Tagewerk zufrieden?« Seine Stimme brach. »Nachdem wir alle überlebt hatten, musste er wegen einer drei Zoll großen Scheibe sterben. Um deiner selbst willen solltest du hoffen, dass sie tatsächlich so ungeheuer wichtig ist, wie du sagst.« Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Alles Aufbegehren und Anklagen verebbte, er presste sich die Faust an die Lippen, und die Tränen schossen ihm in die Augen.
»Oh, das Ding ist wirklich sehr wichtig, Hirad«, erklärte Ilkar, dessen Wangen gerade wieder Farbe bekamen. Seine Augen waren schmale Schlitze. »Wenn es ihm gelingt, Dawnthief zu bekommen, dann könnte sich Sirendors Tod, verglichen mit dem, was wir noch erleben müssen, als Gnade erweisen.«
»Was, zum Teufel, ist dieses Ding überhaupt?«, verlangte Talan zu wissen.
»Dawnthief ist ein Spruch. Ich glaube sogar, der Spruch schlechthin, und Septern ist angeblich der Magier, der ihn geschaffen hat«, erklärte der Unbekannte. Er sah sich fragend zu Denser um.
»Völlig richtig, Unbekannter. Der Spruch selbst ist allen magischen Kollegien gut bekannt«, erklärte Denser. »Jeder, der die Magie benutzt, weiß um seine Macht … um seine katastrophalen Kräfte. Glücklicherweise sind zwar die Worte allgemein bekannt, aber Dawnthief wirkt nur, wenn drei bestimmte Katalysatoren vorhanden sind, und bisher hat niemand entdeckt, worum es sich dabei handelt oder wie man diese Informationen bekommen könnte. Dies hat sich jetzt möglicherweise geändert. Das Amulett wird uns zu Septerns Werkstatt führen, und wir rechnen damit, die nötigen Informationen dort zu finden.«
»Du hast schon gewusst, was du suchst, als wir dir begegnet sind, oder?«, fragte Talan.
»Ja«, bestätigte Denser. »Hör mal, ich kann keine Details über
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