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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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»Für viele bin ich der Einzige, der die Kontrolle ausüben kann.« Er lächelte. »Und jetzt arbeitet auch Ihr in gewisser Weise für mich.«
    »Als Sklavin«, fauchte Erienne. Sie war erschüttert, doch jetzt verstand sie alles. Wie sonst hätte er die Informationen so schnell bekommen können? Sie mussten von einem Magier aus Lystern oder vielleicht auch aus Julatsa stammen.
Ein Magier aus Xetesk oder Dordover hätte sich auf keinen Fall herabgelassen, für ihn zu arbeiten. Sie versuchte es noch einmal. »Ihr versteht es nicht. Dawnthief ist zu groß, um damit herumzuspielen. Wenn Xetesk ihn beherrscht, dann beherrschen sie alles, Euch selbst eingeschlossen. Wenn Ihr öffentlich bekanntgebt, was Ihr wisst, dann werden die drei Kollegien sie aufhalten. Das müssten Eure Magier Euch doch eigentlich erklärt haben.«
    »Nein, das haben sie mir nicht erklärt«, gab der Hauptmann zurück, und die Belustigung wich schlagartig aus dem harten geröteten Gesicht. »Sie haben mir vielmehr gesagt, dass diese absolute Macht auf keinen Fall in den Händen eines Magiers oder Kollegs ruhen darf, und dass die Mittel, um den Spruch zu wirken, zerstört oder von einem Mann gehütet werden müssen, der genau weiß, was er besitzt, ohne jedoch die Macht zu besitzen, den Spruch anzuwenden. Sollte der Spruch vollständig wiedergefunden werden, dann werde ich sein Hüter sein.«
    Zum zweiten Mal in ebenso vielen Minuten verschlug es Erienne die Sprache. Dieses Mal mischte sich allerdings echte Furcht in ihre Überraschung. Wenn der Hauptmann tatsächlich glaubte, er könne als Hüter von Dawnthief fungieren, dann unterlag er in noch viel größerem Maße, als sie gedacht hatte, der Selbsttäuschung, und er war gefährlicher, als sie je angenommen hätte. Offenbar hatte er keine Vorstellung von der Macht des Spruchs oder davon, wie weit manche Magier gehen würden, um ihn in ihren Besitz zu bringen.
    »Glaubt Ihr wirklich, Xetesk, Dordover oder sonst jemand wird sich damit abfinden, dass Ihr solche Macht in Händen haltet?«, fragte Erienne. Sie versuchte, die Frage so unbeteiligt wie möglich klingen zu lassen.
    »Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben, sobald ich die
Figuren auf dem Spielbrett kontrolliere«, erwiderte der Hauptmann.
    Erienne runzelte die Stirn und rutschte unwillkürlich auf dem Stuhl hin und her, während ein kalter Schauder über ihren Rücken lief. Die Frage war, wie viel der Mann tatsächlich wusste. »Es tut mir leid, da kann ich Euch nicht folgen.«
    »Ach, nun hört schon auf, Erienne. Glaubt Ihr wirklich, ich hätte Euch willkürlich ausgesucht? Glaubt Ihr tatsächlich, mein Wissen sei derart begrenzt? Ihr seid Dordovers klügste Hüterin der Magie und bekanntermaßen eine Expertin für den auf mehreren Überlieferungen beruhenden Dawnthief. Ich kontrolliere Euch doch schon.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich muss jetzt nur noch den Menschen finden, der am ehesten fähig ist, den Spruch zu wirken.«
    »Den werdet Ihr niemals erwischen. Er ist viel zu gut geschützt«, erwiderte Erienne.
    »Da irrt Ihr Euch. Und nicht zum ersten Mal. Vor gar nicht so langer Zeit wäre es mir sogar beinahe gelungen, ihn zu töten. Im Rückblick war dies ein sehr glücklicher Fehlschlag, besonders für Euch.«
    »Warum?« Doch sie kannte die Antwort bereits.
    »Weil ich gestern auf die Idee kam, das Mittel zu zerstören, mit dem der Spruch gewirkt werden kann. Und Ihr wisst ohnehin schon viel mehr, als gut für Euch ist. Sobald ich Euch beide habe, werde ich auch den Respekt bekommen, den ich verdient habe, wenn ich mein Werk vollbringe.«
    »Ihr wisst so wenig«, knirschte Erienne. »Wir werden Euch nicht helfen, und Ihr werdet den Xeteskianer nicht erwischen.«
    »Wirklich? Ich wäre vorsichtig, ehe ich solche Erklärungen abgebe.«

    »Er und ich würden lieber sterben, als Euch bei Eurem lächerlichen Plan zu helfen. Falls Euer Plan je funktionieren sollte, würden die Wände dieser Burg nach so viel zerstörerischer Magie derart hell glühen, dass man es bis Korina sehen kann. Ihr seid nicht stark genug, um eine solche Macht zu bändigen.«
    Der Hauptmann schwieg eine Weile. Er ließ den Rest im Glas kreisen, dann kippte er den Branntwein hinunter und nahm sofort die Flasche, um sich wieder einzuschenken.
    »Natürlich ist der Tod ein Ausweg, den Ihr wählen könntet«, räumte er ein, während er sich am Ohr zupfte. »Aber dies ist keine Entscheidung, die Ihr für Eure Kinder treffen könnt, nicht wahr?« Er lächelte.

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