Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
bevor er sich wieder an seinen Platz setzte.
»Nun, wer macht den Anfang«
»Es ist ein Alptraum«, sagte Ilkar. »Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll.«
»Sirendor Larn ist seinetwegen gestorben, es ist offensichtlich, dass Ras’ Tod nichts mit unserem letzten Auftrag zu tun hatte, und wir sitzen hier herum und plaudern darüber, ob wir für ihn arbeiten.« Hirad schrie beinahe. »Warum müssen wir überhaupt noch diskutieren?« Er stand auf und ging zum Kamin. »Es ist doch ganz einfach. Wir ziehen los und töten die Hexenjäger. Denser kann sich seinen Spruch in den Hintern schieben, und das hier …« Er zerrte den Kodex aus dem Rahmen über dem Kamin und riss ihn in Stücke. »Das hier ist Geschichte.«
Entgeistert starrten sie Hirad und das zerfetzte Stück Pergament an. Jetzt erst hielt er inne und bemerkte, wie erregt er war. Sein Atem ging schnell, sein Herz pochte heftig in der Brust, hinter sich hörte er das Feuer knacken. Er sah seine Freunde herausfordernd an, ob sie es wagten, ihn zu kritisieren oder ihm zu widersprechen.
»Setz dich, Hirad«, sagte der Unbekannte leise.
»Warum denn? Damit du …«
»Ich sagte, setz dich!«, donnerte der große Mann.
Hirad, der immer noch die zwei Stücke des Kodex in den Händen hielt, gehorchte.
»Wir wissen alle, wie bekümmert du bist.« Der Unbekannte sprach jetzt wieder ruhiger. »Und wir werden uns mit Sirendors Mördern befassen, glaube mir. Aber was wir gerade gehört haben, hat alles verändert, auch wenn du es noch nicht begriffen hast.«
»Wirklich?« Hirad seufzte.
»Wirklich«, bestätigte der Unbekannte. »Ich denke aber, Ilkar kann das besser erklären als ich.«
Der Julatsan-Magier zog die Augenbrauen hoch. »Um es ganz simpel auszudrücken, sind die beiden schlimmsten Dinge, die ich mir überhaupt vorstellen konnte, gleichzeitig passiert. Jedenfalls behauptet Denser genau dies. Die Wytchlords sind ausgebrochen, und Xetesk hat einen Zugang zum Dawnthief gefunden.«
»Und?«
»Bei den Göttern, Hirad, ich habe vorhin nicht gescherzt. Dawnthief kann alles zerstören. Ganz wörtlich. Wenigstens theoretisch. Wenn Denser Erfolg hat und die Wytchlords vernichtet – und wir müssen beten, dass es ihm gelingt –, dann befindet sich die gefährlichste Waffe überhaupt in den Händen des Dunklen Kollegs. Was, glaubst du, bedeutet dies für uns, für die anderen?«
»Dann töten wir Denser und nehmen den Spruch an uns, sobald er ihn gewirkt hat.«
»Ja, aber um das zu tun, müssten wir direkt neben ihm stehen.«
»Wir könnten ihn jetzt töten und das Amulett in unseren Besitz bringen«, sagte Hirad ruhig.
Schweigen. Richmond nickte.
»Das würde auf jeden Fall Zeit sparen.«
»Und wenn er in Bezug auf die Wytchlords Recht hat?«, fragte Ilkar.
»Dann soll jemand anders den Spruch wirken.«
»Aber klar«, schnaubte Ilkar. »Ich kann ja mal Tomas fragen, ob er Zeit für uns hat.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Ganz so einfach ist es nicht, Hirad. Denser wurde vermutlich sein Leben lang in der Theorie des Dawnthief-Spruchs ausgebildet. Wenn er der wichtigste Dawnthief-Magier von Xetesk ist – und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies zutrifft –, dann ist er der Mann, der die besten Chancen hat, den Spruch zu wirken. Vielleicht sogar der Einzige überhaupt.«
»Also glaubst du ihm, Ilkar?« Talan beugte sich vor, leerte sein Glas und streckte die Hand nach der Flasche aus, die der Unbekannte ihm anbot.
»Warum sollte er in dieser Hinsicht lügen? Er riskiert, dass ich über Dawnthief einen Bericht nach Julatsa schicke, und er hat völlig Recht mit seiner Einschätzung, wie mein Bericht aufgenommen würde, wenn ich es tue. Bei den Göttern, was für ein Durcheinander.« Ilkar nagte an der Unterlippe und sank auf seinem Stuhl zusammen.
»Welche Möglichkeiten haben wir denn nun?«, wollte Talan wissen.
»Wir haben überhaupt keine«, sagte Ilkar. »Eigentlich
haben wir überhaupt keine Wahl. Ich meine, wir könnten beschließen, seine Bitte abzulehnen und selbst gegen die Hexenjäger vorzugehen, aber was, wenn er die Wahrheit sagt? Wir hätten dann Balaia im Stich gelassen, und was noch schlimmer ist, wir hätten es Xetesk und den Wytchlords überlassen, unter sich zu entscheiden, wer Dawnthief besitzen soll. Dawnthief bedeutet unumschränkte Macht, er ist wirklich so mächtig, so viel könnt ihr mir glauben. Macht euch keine Illusionen. Wenn die Wytchlords zurückkehren, dann kommen sie, um uns alle zu
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