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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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gern, was er hier zu suchen hat.« Ilkars Gesicht verriet nicht, was er dachte, doch er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt.
    Hirad blickte zum Burgfried und den Wehrgängen hinauf. Aufziehende Wolken beschleunigten den Sonnenuntergang, und das verblassende Licht färbte die Burg grau.
    Ein leichter Regen hatte eingesetzt. Alle Aktivitäten waren eingestellt worden, hundert Augen blickten den Raben und den Toten in seiner Mitte an. Es war still auf Burg Taranspike, und die Soldaten, die nach ihrem Sieg in den Burghof marschiert kamen, unterbrachen ihre Rufe und verstummten, als sie die Szene erfassten.
    Der Kreis des Raben bewegte sich langsam nach draußen, Ilkar ein wenig abseits, immer mit einem Auge die gerade vorher freigelegte Wand beobachtend.
    »Wie konnte er uns mit diesem Spruch verfehlen?«, fragte Talan. Er deutete auf die Holztrümmer und das Korn, das ringsum verstreut war. »Er stand doch praktisch direkt über uns.«
    »Er hat uns nicht verfehlt«, antwortete Ilkar. »Deshalb wollte ich doch …«
    Der Magier war an der Mauer. Er tauchte schlagartig wieder auf, und man konnte sehen, dass er beide Hände auf die Steine gelegt hatte. Er tastete kurz herum, ein Abschnitt der Wand wich zurück, gab nach und legte einen dunklen Durchgang frei. Der Magier trat hindurch, und hinter ihm schloss sich die Öffnung sofort wieder.
    Ilkar rannte zur Mauer und untersuchte den Abschnitt genau, die anderen sammelten sich um ihn.
    »Nun öffne doch schon«, drängte Hirad. Der Elf drehte
sich um und starrte den Barbaren an. Die spitz zulaufenden Ohren zuckten gereizt.
    »Kannst du sie öffnen?«, fragte Talan.
    Ilkar nickte. »Ich muss aber einen Spruch wirken. Sonst kann ich die Druckpunkte nicht sehen.« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Mauer, und die anderen Mitglieder des Raben machten ihm Platz. Ilkar schloss die Augen und sprach eine kurze Anrufung, bewegte vor sich die Hände über die Mauer und spürte, wie die Manaspuren seine Finger einhüllten. Dann legte er die Fingerspitzen auf den Stein und suchte. Einer nach dem anderen stellten seine Finger die Bewegung ein, als sie die Punkte fanden.
    »Ich habe es«, sagte er. Es war nicht mehr als eine Minute vergangen. Der Unbekannte nickte. Sein kurzes braunes Haar war von Schweiß verklebt, und die alte Narbe auf der linken Wange glühte hell auf der gebräunten Haut.
    »Gut«, sagte er. »Aber du …«, er deutete auf den stämmigen Talan, »du bleibst hier und siehst zu, dass dieser Schnitt da versorgt wird. Und du«, er spuckte Richmond die Worte förmlich entgegen, »du übernimmst die erste Totenwache und überlegst dir, was du getan hast.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen. Talan wollte Einwände erheben, doch das Blut, das aus seiner Armwunde tropfte, und das bleiche Gesicht verrieten, dass er erheblich verletzt war. Richmond ging unterdessen zu Ras hinüber. Er hielt den Blick gesenkt, die Tränen brannten in seinen blauen Augen. Er kniete sich neben den toten Rabenkrieger, stach das Schwert in den Boden und fasste mit beiden Händen den Handschutz. Er neigte den Kopf und blieb reglos sitzen, der lange blonde Pferdeschwanz pendelte leicht im Wind. Zusammen mit Talan und Ras war er als Mitglied eines erprobten und geachteten Trios vier Jahre zuvor – nach der einzigen anderen Schlacht, in der ein Rabenkrieger,
oder in diesem Fall sogar zwei, den Tod gefunden hatten  – in die Truppe eingetreten.
    Der Unbekannte Krieger gesellte sich zu Ilkar.
    »Lass es uns tun«, sagte er.
    »Alles klar«, antwortete Ilkar. Er drückte. Die Wand bewegte sich zur Seite und nach links. »Die Tür wird jetzt offen bleiben. Er muss sie von innen geschlossen haben.«
    Am Ende des Durchgangs war ein schwaches, flackerndes Licht zu sehen. Der Unbekannte betrat den Gang, Hirad und Sirendor folgten ihm, Ilkar bildete die Nachhut.
    Als der Unbekannte Krieger sich dem Licht näherte, war ein entsetzter Ruf zu hören, der plötzlich abbrach, dann ertönte eine drängende, laute Stimme, und man hörte Füße scharren. Der Unbekannte lief schneller.
    Nachdem er einer scharfen Gangbiegung nach rechts gefolgt war, stand er in einem kleinen Raum. Auf der rechten Seite war ein Bett, gegenüber stand ein Tisch, aus einem kurzen Gang auf der linken Seite fiel ein Feuerschein herein. Neben dem Tisch und direkt vor einem Durchgang hockte ein zusammengesunkener Mann von mittleren Jahren, der ein schmuckloses blaues Gewand trug. Aus einer langen Schnittwunde auf seiner

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