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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Rumpf und oberhalb der vorderen Gliedmaßen ansetzenden Flügel maßen gut und gern vierzig Fuß zu jeder Seite. Sie flatterten leicht und stützten den Drachen zusätzlich ab, als er den Kopf vom Boden hob und sich aufrichtete.
    Obwohl der schlanke Hals mit dem knochigen Grat auf der Rückseite nach unten gekrümmt blieb, weil der Drache Hirad keinen Moment aus den Augen ließ, war das Geschöpf sechzig Fuß hoch. Der Schwanz, der gekrümmt auf der linken Seite lag, war selbst an der Spitze noch dicker als ein ausgewachsener Mann. Ganz ausgestreckt mochte der Drache mehr als hundertzwanzig Fuß lang sein. Jetzt hockte er auf den mächtigen Hinterkeulen. An den Füßen saßen jeweils vier Krallen, die allein schon dicker waren als der Kopf des Barbaren. Und überall schimmerte es golden – die Drachenhaut funkelte im Feuerschein, und an den Wänden glitzerte es.
    Hirad hörte die tiefen, langsamen Atemzüge des Drachen. Er öffnete das Maul und entblößte lange Reihen von Reißzähnen. Der Speichel tropfte auf den Boden und verdampfte sofort.
    Das Wesen hob ein Vorderbein und streckte eine einzige gekrümmte Kralle aus. Hirad wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Er schluckte schwer, sein ganzer Körper war schweißüberströmt. Er zitterte am ganzen Leib.
    »Verdammt will ich sein«, keuchte er.
    Hirad hatte stets geglaubt, er werde mit dem Schwert in der Hand sterben, doch in diesem Augenblick schien es ihm
sinnlos, die Waffe einzusetzen. Der Zorn, der so rasch auf seine Furcht gefolgt war, wich einer eigenartigen Ruhe. Er steckte das Schwert in die Scheide und sah dem Geschöpf in die Augen.
    Der tödliche Schlag blieb aus. Der Drache zog die Kralle wieder ein, legte den Kopf auf den Boden und schob ihn vor, bis er nur noch drei Schritt vor Hirad lag, dem der heiße, stinkende Atem ins Gesicht schlug.
    »Interessant«, sagte der Drache mit einer Stimme, die Hirad ganz und gar zu durchdringen schien. Die Beine des Barbaren quittierten endgültig den Dienst, und er setzte sich schwer auf den gekachelten Boden. Er sperrte den Mund auf und bewegte die Lippen, doch es kam kein Ton heraus.
    »Und jetzt«, sagte der Drache, »jetzt wollen wir über einige Dinge reden.«

2
    »Wer sind diese Drachenleute denn nun?«, fauchte Sirendor.
    Ilkar drehte sich zu ihm um. »Sie sind Magier. Sie haben, nun ja, wie soll ich sagen, sie kommen mit Drachen gut aus.« Er machte eine hilflose Geste.
    »Also, wirklich! Drachen existieren doch überhaupt nicht. Es gibt sie nur in Gerüchten und Legenden.« Sirendor sprach immer noch flüsternd.
    »Ach, ja? Und was ist das für eine riesige Legende, die ich da drinnen sehen kann?«, meinte Ilkar empört.
    »Das ist doch alles völlig egal.« Die Stimme des Unbekannten verriet, auch wenn er leise sprach, seine Autorität. »Wir haben nur eine Frage, die sofort beantwortet werden muss.«
    Die drei Rabenkrieger und Denser hatten sich vor der halbgeöffneten Tür des Drachengemachs versammelt und für den Augenblick alle Feindschaft vergessen. Hirad saß mit dem Rücken zu ihnen, die Hände hinter sich auf den Boden gestemmt und die Beine halb angezogen. Der Kopf des Drachen war nur ein paar Fuß vom Barbaren entfernt,
der riesige Leib lag auf dem Boden, die Flügel waren zusammengefaltet. Ilkar hatte Mühe, die Größe des Geschöpfs richtig zu erfassen.
    Es spielte keine Rolle, dass er den Büchern und den Lehren nie wirklich geglaubt hatte. Auf jeden Fall besaß er eine gewisse Vorstellung von Drachen und hatte immer gedacht, sie müssten groß sein. Hirad wirkte im Vergleich zu dem Ungeheuer jedoch derart winzig, dass Ilkar den Blick abwenden und noch einmal hinschauen musste, ehe er sich eingestehen konnte, dass Sirendor sich irrte und dass dies keineswegs eine Illusion war. Ganz und gar glauben konnte er es immer noch nicht.
    »Eigentlich müsste Hirad längst tot sein«, murmelte der Unbekannte. Er befingerte nervös seinen Schwertknauf. »Warum hat er ihn noch nicht getötet?«
    »Wir glauben, dass sie miteinander reden«, erklärte Denser.
    »Was?« Ilkar konnte nichts hören. Soweit er es sehen konnte, starrten die beiden einander nur an. Doch dann konnte Ilkar, der ein gutes Auge hatte, erkennen, dass Hirad den Kopf schüttelte und sich aufrichtete, damit er die Hände vom Boden nehmen und eine Geste machen konnte. Hirad deutete hinter sich und sagte etwas, doch der Magier konnte die Worte nicht verstehen. Der Drache legte den Kopf schief, öffnete den Mund und entblößte

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