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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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fegte ihm mit der mächtigen Pfote den Helm vom Kopf.
    Der Unbekannte machte mit einer Hand einen Ausfall und brachte dem Grauen am rechten Hinterlauf eine tiefe Schnittwunde bei. Das Bein zuckte hilflos, doch das Maul hielt ihn weiter fest, und die Zähne drohten, die Metallplatte der Rüstung zu durchdringen, während der heiße Atem ins Gesicht des Unbekannten wehte.
    Der unverletzte Hund schlug noch einmal nach dem Kopf des Unbekannten, der bereits schwächer wurde. Der Helm war verbeult vom Kopf gerutscht, und der Gurt schnitt tief in seine Haut, bis er riss. Er keuchte und schlug verzweifelt mit dem Schwert um sich, doch nur der Griff
und sein Handschuh fanden ein Ziel. Er riss das Schwert zurück und spürte, wie der Panzer auf der Schulter noch ein wenig weiter nachgab, als das verletzte Tier den Kopf hin und her warf. Wogen von Schmerz überfluteten den Unbekannten, und der schwarze Destrana heulte, weil er den Sieg in greifbarer Nähe sah. Das Geheul brachte den Unbekannten wieder zu sich, und er trieb dem Tier die Klinge in die Kehle. Der Jubelschrei ging in einer Blutfontäne unter.
    Als das Geräusch erstarb, gab seine Rüstung nach, und die riesigen Kiefer fanden Fleisch und Knochen. Gequält schrie der Unbekannte auf, und alles verschwamm ihm vor den Augen. Die Klinge wurde ihm aus der Hand gerissen, als der Hund ihn auf den Rücken warf. Er schlug immer und immer wieder nach der Schnauze des Hundes, doch die Fänge hielten ihn fest, während sein Blut in den Staub lief.
    Der Hund zog den Kopf zurück und schlug mit der Pfote zu. Dem Unbekannten wurde die Kehle aufgerissen, und als seine Kräfte schwanden, kippte sein Kopf zurück. Mit einem Geräusch, als wäre ein Stück Holz gebrochen, flog die Scheunentür nach innen auf, und eine Klinge fuhr blitzend durch das sich verdunkelnde Gesichtsfeld des Unbekannten. Ein schwerer Körper fiel neben ihm zu Boden.
    Es war vorbei.
     
    »Wie könnt Ihr es wagen!« Erienne stürmte dem Hauptmann entgegen, als er ihre Kammer betrat. »Wie könnt Ihr es wagen!« Er hielt sie mühelos an den Armen fest und schob sie zum Stuhl vor dem Schreibtisch zurück.
    »Beruhigt Euch, Erienne. Alles ist, wie es war«, sagte er.
    »Drei Tage«, fauchte sie, und die Augen unter dem wirren schmutzigen Haar funkelten böse. »Drei Tage habt Ihr
mich schmoren lassen. Wie könnt Ihr ihnen so etwas antun, von mir selbst ganz zu schweigen?«
    Nach ihrer letzten Unterhaltung hatte der Hauptmann Wort gehalten. Sie hatte mit niemandem außer dem Wächter, der ihr Essen und Wasser brachte, gesprochen. Zuerst war es leicht gewesen, und ihr Zorn über seine Annahme, sie werde sich bald unterwerfen, brannte wie ein Feuer in ihrer Magengrube. Sie hatte sich damit beschäftigt, die Überlieferungen zu rezitieren und selten genutzte Sprüche zu wiederholen, von denen sie einige liebend gern in der Burg gewirkt hatte. Währenddessen hatte sie die ganze Zeit nach Schwächen gesucht, die sie ausnutzen konnte, um aus der Gefangenschaft des Hauptmanns zu entfliehen. Doch er hatte ihre Kinder in seine Gewalt gebracht, er hatte gedroht, die Jungen sofort zu töten, falls sie irgendeine Magie wirkte, und sie hatte keinen Zweifel, dass er tun würde, was er sagte.
    Solange sie nicht bei ihren Kindern und in der richtigen Position war, um einen nützlichen Spruch zu wirken, konnte sie das Risiko nicht eingehen. Doch wie war es um ihre Zukunft bestellt, wenn er sie nicht mehr brauchte? Würde er sie wirklich alle gehen lassen? Ein Teil in ihr wollte glauben, dass er nicht fähig sei, Unschuldige zu ermorden, und dass es auch eine mitfühlende Seite in ihm gebe, doch dieser Teil war klein. Erienne wusste im Grunde genau, dass er nicht die Absicht hatte, sie wieder freizulassen. Er musste wissen, dass ihre Söhne über große potenzielle Kräfte verfügten, und vor dieser Macht hatte er Angst. So blieb ihr nichts weiter, als auf jede nur denkbare Weise dafür zu sorgen, dass sie möglichst lange am Leben blieben, und darauf zu hoffen, dass er einen Moment lang unachtsam war, damit sie die Chance bekam, die sie brauchte. Wenn er aber die Jungen nicht aus ihrem Zimmer ließ, dann würde sie diese Chance nicht bekommen.

    Als die Stunden vergingen, verblasste auch ihr Zorn und wich einer schrecklichen Sehnsucht, über die sie keine Macht hatte. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, und die Wiederholungen der Überlieferungen waren vergessen. Ihr Herz pochte schmerzhaft in der Brust, und sie weinte oft und

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