Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
stellte sich neben Ilkar, und Denser und Erienne standen schon hinter ihnen bereit. »Dies ist nicht der richtige Augenblick, uns zu trennen«, sagte der Unbekannte. »Wir sind der Rabe.« Er hob das Schwert und tippte mit der Spitze vor seinen Füßen im Takt auf den Boden.
Hirad wurde schlagartig ruhig. Er lächelte und drehte sich zu den Feinden um. Ilkar war gerade mit der Anrufung
fertig und sprach das Befehlswort. Der undurchdringliche, unsichtbare Kraftkegel flog den anrückenden Wesmen entgegen.
»Harter Schild ist oben«, sagte Erienne.
»Ilkar ist gesichert«, fügte Denser hinzu.
Die zahlenmäßige Überlegenheit half den Wesmen schließlich, ihre Angst vor der Magie zu überwinden, und sie griffen an. Sie stießen wütende Rufe aus, und auf den Äxten und Schwertern spiegelte sich die Morgensonne. Doch nach ein paar Schritten wurde ihr Vorstoß abrupt aufgehalten, als die erste Reihe der Krieger auf Ilkars Kraftkegel stieß, der die Straße wirkungsvoll absperrte.
Die Wesmen prallten von der unsichtbaren Fläche ab, taumelten zurück und fielen um. Die Krieger in der zweiten Reihe, die nicht glauben konnten, was sie sahen, sprangen über ihre liegenden Kameraden hinweg und kamen zur gleichen Schlussfolgerung, als ihre Nasen bluteten und die Äxte aus ihren Händen sprangen.
Vorübergehend wich die Wut der Verwirrung, während die Männer sich wieder aufrappelten, ihre Waffen einsammelten und mit ausgestreckten Armen vorsichtig weitergingen, bis sie auf Ilkars Barriere stießen.
Hirad sah ihnen nicht ohne Belustigung zu. Auf die Sprüche der Rabenmagier konnte man sich eben verlassen. Er spürte, dass der Unbekannte den Platz hinter ihnen beobachtete. Zweifellos schätzte er die Stärke der Verteidigung an den anderen Zugängen ab und rechnete sich den Zeitpunkt aus, wann sie losrennen mussten.
Vor Hirad waren die Wesmen unterdessen mit einer Bestandsaufnahme beschäftigt. Ein paar wirkungslose Schläge gegen die Barriere führten zu nichts außer einigen verstauchten Handgelenken. Die abgeschossenen Pfeile prallten ab oder brachen beim Einschlag.
Die Bogenschützen versuchten inzwischen, die Grenzen des Kegels zu bestimmen. Sie schossen die Pfeile in immer steilerem Winkel hinauf, bis sie über die Oberkante hinwegflogen und dahinter harmlos von Eriennes hartem Schild abprallten. Die zaghaften Jubelrufe der Wesmen verstummten sofort wieder. Sie zogen sich ein paar Schritte zurück. Sie wussten, dass sie es mit einer magischen Abschirmung zu tun hatten, die sie nicht durchdringen konnten, aber sie hatten noch einen Trumpf im Ärmel. Zeit. Kein Spruch hält ewig.
Hirad blickte sich zu seinen Gefährten um. Ilkar und Erienne waren voll auf ihre Sprüche konzentriert. Denser hatte Erienne eine Hand auf die Schulter gelegt. Seine Augen waren offen, aber auf nichts Bestimmtes gerichtet. Er überwachte die Wirkung der Sprüche. Der Unbekannte war ein paar Schritte zurückgelaufen, um den Platz ganz zu überblicken. Er runzelte die Stirn, schaute aber noch nicht sehr finster drein. Die Lage war also noch nicht gefährlich.
So drehte Hirad sich wieder zu den Feinden um und beobachtete deren zunehmende Frustration. Ein Wesmen-Krieger fiel ihm besonders auf, und er musste grinsen. Der Mann hatte ein blutverschmiertes Gesicht, und die Haut auf seinen Knöcheln war abgeschürft, doch er hielt unerschütterlich seine Axt fest. Seine Augen, die dunkel und brütend unter dichten Augenbrauen lagen, starrten aus einem kantigen Gesicht heraus, das von Witterung und Kampf gezeichnet war. Schmale Lippen, große Ohren und ein Gebüsch von widerspenstigem Haar ergänzten den finsteren Eindruck. Hirad legte den Kopf schief, unterdrückte sein Lächeln und richtete sich auf.
»Glaubst du etwa, du kannst mich erwischen?«, fragte er. Der Wesmen-Krieger, der den Dialekt des Ostens offenbar einigermaßen verstand, nickte. »Weißt du, wer ich
bin? Weißt du, wer wird sind?« Keine Antwort. »Wir sind der Rabe. Wir sind dein Albtraum. Wir sind dein Tod.« Geborgte Worte waren es, aber der Wesmen-Krieger konnte es nicht wissen. Hirad sah, wie der Krieger unruhig mit den Füßen scharrte und seine Axt fester packte.
»Muss das sein?«, fragte der Unbekannte, der neben ihn getreten war. »So rennen sie nur noch schneller.«
»Aber immer noch nicht schnell genug. Was ist denn los?« Hirad hatte bemerkt, dass der Unbekannte an der Unterlippe nagte.
»Wir haben nicht genug Magier auf dem Platz. Die Wesmen schießen auf die
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