Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
Wesmen in ihrer Nähe übertönten.
Links rückten die Dordovaner vor. Die ordentlich aufgestellte Streitmacht war dreitausend Schwerter und Schilde stark und wurde durch magisches Feuer und Eis verstärkt. Das Kolleg hatte seine Elitetruppe geschickt.
Hirad wollte sich instinktiv dem Angriff anschließen, weil er eine Chance sah, den Gegner noch weiter zu dezimieren, doch der Unbekannte hielt ihn zurück und ließ nicht zu, dass der Barbar sein Pferd in eine andere Richtung lenkte.
»Dieses Mal nicht, Hirad«, rief er. »Dies ist ein Kampf, an dem wir uns nicht beteiligen dürfen.«
So ließen sie die Reste der rennenden Belagerungstruppen
der Wesmen hinter sich, ignorierten sie oder wichen ihnen aus, wenn sie sich in die letzte Schlacht um das Kolleg von Julatsa stürzen wollten. Der Rabe galoppierte durch verlassene Seitenstraßen in das zertrampelte, stumpfe Grün des offenen Landes zurück.
Auf den Wällen hinter den langen Hallen erlahmte die Verteidigung, und die Wesmen brachen durch und drangen bis auf die Wehrgänge vor. Von unten rannten Reservetruppen der Julatsaner herauf und stürzten sich mit trotzigem Gebrüll auf die Gegner, damit die anderen etwas Zeit fanden, sich neu zu formieren.
Auf dem Hof rannten Männer, Frauen und Kinder in alle Richtungen und trugen die Verletzten aus dem Kampfbereich, schleppten Wasser zu den Dutzenden Feuern, die knisterten, wo die Brandgeschosse der Wesmen eingeschlagen waren, und trugen Holz, Waffen oder Nahrung oder was die Verteidiger sonst noch brauchten.
Vom Turm aus übermittelten Kards Signalgeber Befehle an die Hauptleute, während der General selbst auf den Wällen entlangschritt und mit aufmunternden Worten die Moral der Truppen stärkte. Auch sein Schwert triefte vor Wesmen-Blut. An sechs Punkten standen Ratsmitglieder und leiteten die Anwendung der Sprüche, halfen mit Schilden aus oder unterstützten die Kämpfer einfach nur durch ihre Anwesenheit. Nur Endorr fehlte. Er war bei Bewusstsein, aber hilflos.
Draußen vor den Mauern des Kollegs hatten die dordovanischen Streitkräfte zwar einen Teil der Gegner von den belagerten Julatsanern abgelenkt, doch es war ihnen noch nicht gelungen, die Mauern zu erreichen. Seit drei Stunden traten sie jetzt auf der Stelle, und mit jedem Moment rückte der Fall des Kollegs näher.
Die Flucht des Raben hatte neue Hoffnungen für Balaia geweckt, doch jetzt zahlte Julatsa den Preis.
Barras dirigierte ein Sperrfeuer aus Heißem Regen, der mitten zwischen die am Nordtor angreifenden Wesmen fiel und diejenigen zurücktrieb, die nicht zu schwer verletzt waren, um wegzulaufen. Er hätte dringend eine Pause gebraucht, doch unter dem fast wolkenlosen Himmel nahm der Kampf unerbittlich seinen Fortgang. Das Klirren der Waffen, das Donnern der Katapulte, die gerufenen Befehle, die Schreie der Sterbenden, alles stürmte auf ihn ein. Farben flackerten vor seinen Augen, ein Schleier aus Asche und Blut schwebte in der Luft, und unzählige Waffen schimmerten im Sonnenlicht. Auf den Wehrgängen und Mauerkronen floss das Blut in Strömen, Banner bewegten sich durchs Kampfgetümmel, Rufe ertönten, die Mauern endlich einzunehmen, Flammen sprangen aus dem Boden empor, und das Licht der offensiven Sprüche blitzte und loderte auf allen freien Flächen rings um das Kolleg.
Er schmeckte und roch die Angst und die Macht, den Schweiß und das Blut, er konnte die Schmerzen jedes Julatsaners fühlen, der starb, und die Verzweiflung all derer, die noch lebten. Sie konnten die Wesmen nicht aufhalten, und ein Eindringling, der starb, hinterließ nicht etwa eine Lücke, sondern wurde sofort vom nächsten ersetzt.
Trotz ihres Kampfgeistes, trotz ihrer Sprüche und ihrer unerschütterlichen Stärke war die julatsanische Reserve einfach nicht stark genug, und die Tatsache, dass die Dordovaner die Linien der Wesmen nicht durchbrochen hatten und nicht bis zum Kolleg vorgestoßen waren, sollte sich als tödlich erweisen.
Rechts neben ihm rief jemand. Tausende Wesmen rannten auf den Platz vor dem Nordtor. Hinter ihnen stieg
Staub in die Luft, wo die Dordovaner kämpften, doch etwas stimmte nicht. Neben Barras saß eine Magierin im Schutz der Brüstung und empfing eine Kommunion. Der Austausch war kurz, und danach sah sie Barras in die Augen. Ihre Tränen sagten mehr als genug.
»Die Dordovaner sind geschlagen«, sagte sie. »Sie ziehen sich zurück.« Barras’ Herz verkrampfte sich, und er hatte alle Mühe, sich die Verzweiflung nicht anmerken
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