Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
»Wir
können davon ausgehen, dass die Frontlinie zu beiden Seiten noch einmal zwanzig bis dreißig Fuß weit gestört wird, weil die Männer ihre Positionen verlassen und die neuen Gegner angreifen werden. Wenn wir diese Störung durch einen Angriff von hier aus noch verstärken können, und sei es nur ein einziger schnell geführter Schlag, dann verbessern wir unsere Chancen erheblich. Es ist im Grunde sehr einfach.«
Hirad kicherte. »So etwas haben wir schon einmal gemacht«, sagte er. Sein Lächeln wurde noch breiter, als der Unbekannte ihn fragend ansah. »Du warst da aber nicht bei uns. Vertrau mir.«
Der Unbekannte nickte und drehte sich wieder zu den Wesmen um.
Der Angriff kam ohne Vorwarnung, als die Sonne den Zenith überschritten hatte. Die julatsanischen Magier bereiteten sich gerade auf einen neuen Ansturm der Wesmen vor, als am Nordrand der Stadt Feuer ausbrachen und das Grollen von einstürzendem Mauerwerk zu hören war. Ein Feuerwerk von Blitzen ließ grelles Licht und tiefe Schatten über Julatsa wechseln und füllte den Himmel mit grellem Rot, Orange und Blau.
Jubelrufe waren auf den nördlichen Wehrgängen zu hören. Einige Magier verloren ihre Konzentration, überall im Kolleg wurden die Köpfe gehoben, und die Finger zeigten auf die Dordovaner, die endlich gekommen waren.
Ein paar Momente lang, die sich scheinbar ewig dehnten, kam von den Wesmen überhaupt keine Reaktion. Dann wurden hektische Befehle an die Abteilungen gegeben, die im Norden vor dem Kolleg standen. Ganze Abschnitte lösten sich aus der Front, und obwohl ihre Plätze sofort von nachrückenden Wesmen eingenommen wurden,
dünnte die Angriffslinie etwas aus. Die nach hinten beorderten Abteilungen eilten durch die Straßen, und das ganze Kolleg atmete erleichtert auf, als die Wesmen allmählich von Entsetzen gepackt wurden.
Die verkniffenen Mienen der Julatsaner lösten sich, sie lächelten auf einmal, und neue Hoffnung wuchs aus der Asche der Trostlosigkeit. Die Verteidiger des Kollegs begrüßten die Retter mit lautem Gebrüll, und als in der Stadt Kampfgeräusche zu hören waren und weitere Sprüche losgelassen wurden, hatte Hirad genug gesehen.
»Jetzt oder nie«, sagte er. Er, der Unbekannte und Ilkar rannten die Treppen zu der Gruppe hinunter, die am Torhaus wartete. Der Rabe würde hinter fünf abgeschirmten Magiern und vor zweihundert Fußsoldaten reiten. Hirad schwang sich in den Sattel und sah die anderen an.
»Alles bereit?« Sie nickten. Auf ein Zeichen vom Unbekannten schwang das Nordtor auf.
»Beeilt euch«, drängte er. »Die Wesmen werden nicht untätig herumstehen.«
Die kleine Truppe ritt im Galopp auf die Wesmen zu, die, offenbar durch den Angriff in ihrem Rücken abgelenkt, zunächst keine Anstalten machten, irgendetwas zu unternehmen.
Die beiden Magier in der Mitte schossen Kraftkegel ab, die sie schon lange vorher vorbereitet hatten. Die Sprüche schlugen durch die Reihen der Wesmen, stießen die Krieger zur Seite und drückten die weniger Glücklichen gegen Gebäude und Schutthaufen, wo ihre Körper zerquetscht und zerfetzt wurden. Einen Herzschlag später flogen Feuerkugeln aus den Händen der Magier, die den Ausfall begleiteten, und versetzten die Krieger zu beiden Seiten des von Kraftkegeln geschaffenen Durchgangs in Panik. Geschützt vom Schild des fünften, der eigentlich gar nicht
gebraucht wurde, machten die Magier nach dem kurzen Ausfall kehrt.
»Der Rabe!«, brüllte Hirad. »Der Rabe zu mir!«
In enger Formation stürmte der Rabe in die Lücke, links und rechts sausten die Schwerter herunter, Ilkars harter Schild deckte sie, während Denser und Erienne weitere Feuerkugeln verteilten. Nur Thraun beteiligte sich nicht. Er kauerte mit gesenktem Kopf im Sattel und überließ es seinem Pferd, den anderen zu folgen. Das Tier war viel zu ängstlich, um seitlich auszubrechen.
Hirad schlug einem Gegner den Axtarm ab und stieß einen entzückten Ruf aus, als sie weiterstürmten. Zu beiden Seiten loderten Flammen hoch. Wesmen liefen in alle Richtungen davon, sein Pferd drohte bei jedem Schritt durchzugehen, doch sie brachen schließlich durch die feindlichen Linien. Steine, Äxte und Balken, die auf sie geschleudert wurden, prallten harmlos von Ilkars Schild ab. Das Schwert des Unbekannten blitzte und färbte sich blutrot, als er ihnen den Weg freihackte. Der Rabe stürmte durch das Chaos, und als er die Linie durchbrochen hatte, waren im Kolleg Jubelrufe zu hören, die sogar das Schreien der
Weitere Kostenlose Bücher