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Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers

Titel: Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Menschengedenken gehalten haben, und jetzt finden wir heraus, dass gleich um die Ecke noch etwas viel Schlimmeres lauert. Was sollte mich da schon bedrücken?«
    Der Unbekannte legte Hirad eine Hand auf die Schulter und drehte ihn von Will und Thraun weg, die neugierig zuschauten.
    »Das war die eine Sache. Was ist sonst noch?« Hirad starrte den großen Krieger an. »Komm schon, Hirad. Wir kennen uns seit zehn Jahren. Tu nicht so, als wäre da nichts. Mir kannst du nichts vormachen.«
    Hirad drehte sich um und blickte zu den drei Rabenmagiern, die mit Styliann am Feuer saßen und redeten.
    »Wir müssen auf die andere Seite hinüber«, sagte er stirnrunzelnd. »Sha-Kaan sagte, der Riss müsse von hinten nach vorn geschlossen werden oder so. Erienne hat es verstanden. Aber …«
    »Ich weiß«, sagte der Unbekannte.
    »Unbekannter, ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Ich werde neben dir stehen. Wir alle werden da sein. Wir sind der Rabe.«
    Hirad kicherte. »Dann werde ich wenigstens in guter Gesellschaft sterben.«
    »Niemand wird sterben, Hirad. Am wenigsten du. Du hast mehr Leben als eine Katze.«
    »Das ist mein Schicksal.« Hirad zuckte mit den Achseln. Der Unbekannte starrte ihn fassungslos an.
    »Du weißt nichts über das Schicksal«, sagte er leise und kühl. Hirad biss sich auf die Unterlippe und verfluchte sich, weil er so gedankenlos dahergeredet hatte. Für den Unbekannten hatte dieses Wort gewiss einen sehr bitteren Klang.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte er.
    »Leer und allein«, sagte der Unbekannte. »Ich habe etwas Wertvolles verloren.« Er beobachtete eine Gruppe von Stylianns Protektoren, die den toten Drachen untersuchten. »Du hast keine Ahnung, wie das ist. Ich kann sie spüren, aber ich kann ihnen nicht wirklich nahe sein. Sie erkennen mich als einen der ihren, aber sie können nicht richtig mit mir umgehen. Ich bin außerhalb ihrer Vorstellungswelt, und doch bin ich offensichtlich real. Es ist, als sei ich weder Protektor noch ein richtiger Mann.« Der Unbekannte zog einen Handschuh aus und kratzte sich mit dem Daumen an der Stirn. »Du weißt nicht, was deine Seele wirklich ist, solange du sie nicht verloren hast.«
    »Aber du willst doch nicht wieder ganz und gar zu ihnen gehören, oder?« Auch Hirad starrte jetzt die Protektoren
an. Xeteskianische Krieger, alle vor ihrer Zeit aus dem Leben genommen und durch einen Bann gezwungen, dem Kolleg zu dienen. Ihre Seelen hatte man aus den Körpern gerissen, die dennoch am Leben blieben. Im Seelenverband tief in den Katakomben von Xetesk, wo die Dämonen sie erreichen und bestrafen konnten, falls sie aus der Reihe tanzten, wurden sie festgehalten.
    Der Unbekannte hatte gesagt, es sei eine Tragödie und zugleich etwas Berauschendes, ein Protektor zu sein. Noch nie habe er sich anderen Menschen so nahe gefühlt, denn ihre Seelen vermischten sich im Verband miteinander und erlaubten es ihnen, synchron zu handeln, als würden sie von einem Kollektivbewusstsein gesteuert. Ein Verständnis auf einer unermesslich tiefen Ebene ermöglichte es ihnen, ihre beeindruckende Kampfkraft zu entwickeln.
    Doch die ganze Zeit blieb jeder Körper über die Dämonenkette mit der Seele in Kontakt, und dies war eine Quelle unendlicher Schmerzen. Kein Protektor konnte in sein früheres Leben zurückkehren, obwohl er sich an jede Einzelheit erinnerte. Die Ebenholzmasken, die sie trugen, dienten zugleich als Erinnerung und als Warnung. Die Protektoren gehörten Xetesk. Sie hatten keine eigene Identität. Die Abmachung des Dunklen Kollegs mit den Dämonen wollte es so.
    Hirad schauderte. Der Unbekannte war ein Protektor gewesen, bis Laryon, der xeteskianische Meister, der dieser Art von Berufung ein Ende setzen wollte, sein Leben geopfert hatte, um den Rabenkrieger zu befreien.
    Doch die Erinnerungen blieben. In der Zeit, die der Unbekannte im Seelenverband verbracht hatte, war eine dauerhafte Bindung zu den anderen Protektoren entstanden, von denen es insgesamt etwa fünfhundert gab. Zwar wohnte seine Seele jetzt wieder in seinem Körper, und er konnte
ohne Maske leben, ohne die Vergeltung der Dämonen fürchten zu müssen, doch wie Hirad genau wusste, würde der große Mann nie wieder wirklich frei sein. Er sah es in den Augen des Unbekannten. Und auch wenn der große Krieger lächelte, lachte und sich sorgte wie eh und je, es fehlte etwas. Er war verwundet, er war von seiner Bruderschaft getrennt. Es war eine Wunde, die, wie Hirad glaubte, wohl nie mehr verheilen

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