Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
würde, und solange sie nicht verheilte, trug der Unbekannte dieses Verlustgefühl mit sich herum.
»Hmm?« Der Unbekannte hatte seine Frage nicht gehört.
»Ich sagte, du willst doch kein Protektor mehr sein, oder?«, wiederholte der Barbar.
»Ich kann dir einfach nicht richtig beschreiben, was ich verloren habe, als meine Seele in meinen Körper zurückgekehrt ist, aber ich habe mein früheres Leben zurückgewonnen, und das war ein Leben, das ich liebte und das zu führen ich mich bewusst entschlossen habe. Nein, ich will kein Protektor mehr sein, aber ich will auch nicht verlangen, dass diejenigen, die noch unter dem Bann stehen, ohne Unterschied freigelassen werden. Unter ihnen sind einige, die der Schock umbringen würde. Sie sind schon viel zu lange im Seelenverband, und ihre Vergangenheit ist bedeutungslos geworden. Es sollte nur geschehen, wenn sie von sich aus befreit werden wollen.«
Hirad nickte. Diesen Vorbehalt konnte er nachvollziehen. Er blickte zum Riss hinauf, der am Himmel brodelte. Die weißbraune Oberfläche war wie das Auge einer bösen Gottheit, die auf Balaia herabschaute.
»Ich glaube, um dieses Problem müssen wir uns später kümmern«, sagte er. »Komm, lass uns sehen, was die Magier sich ausgedacht haben.«
Tessaya schlief kaum in der Nacht, in der er tief und ruhig hätte schlummern müssen, eingehüllt von der Behaglichkeit des Sieges und der Verheißung neuer Eroberungen. Doch er war unruhig, denn die Worte des dicken Soldaten drangen in seine Träume ein und störten seine Ruhe.
Darrick. Schon vor neun Jahren, als die erste Eroberung des Understone-Passes noch ein Traum, dann eine Begierde und schließlich ein Schlüssel zu weiteren Erfolgen war, hatte Darrick ihnen als Stachel im Fleisch gesessen. Er trieb sich immer noch herum und hatte offenbar bei der Vernichtung der Wesmen durch die Wassermagie, die wenige Tage zuvor den Understone-Pass leer gefegt hatte, eine wichtige Rolle gespielt.
Darrick. Durch den Pass und ins Gebiet der Wesmen. Nach Parve, wo die Wytchlords am stärksten waren – und wo sie geschlagen wurden. Natürlich war Tessaya froh, dass der Einfluss der Wytchlords jetzt aufgehoben war, auch wenn deren Macht die Stämme mitgerissen und geeint hatte. Doch es war eine ungleiche Partnerschaft gewesen, die von den Stammesfürsten verlangte, sich den Vorstellungen der Wytchlords zu unterwerfen. Da die Alten nun verschwunden waren und die Macht der Schamanen, die bei der Invasion gewiss eine wichtige Rolle gespielt hatten, auf die Funktion von Wahrsagern, Geisterführern und Medizinmännern reduziert war, konnten die Stammesfürsten wieder die Positionen einnehmen, die ihnen von Rechts wegen zustanden.
Nur ein Narr würde einen Mann ignorieren, der den Sturz der Wytchlords herbeigeführt hatte. Tessaya fragte sich, ob da nicht ein tyrannischer Herr gegen eine noch größere Gefahr für sein Leben und seine Führerschaft ausgetauscht worden war.
Als er in den frühen Morgenstunden mit einem Glas Wasser gegen die Kopfschmerzen in seinem Bett saß und
ringsum nur die Stille hörte, die in Understone eingekehrt war, konnte er nicht umhin, etwas wie Hochachtung zu empfinden.
Hochachtung für Darrick, für seine Kavallerie und für den Raben. Die Rabenkrieger, sicher nicht viel jünger als er selbst, wussten dank ihrer Geschicklichkeit und ihres Mutes immer wieder dem Tod zu trotzen. Er lächelte. Sie waren Gegner, die er verstehen und deshalb auch besiegen konnte. Das war seine Trumpfkarte, die er im richtigen Augenblick ausspielen musste.
Er wusste, wo sie sich aufhielten, und Parve war kaum mehr als zehn Tagesritte von Understone entfernt. Nicht nur das, ihre Reise nach Osten musste äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Wieder lächelte Tessaya, und endlich konnte er sich entspannen. Darrick war ein Mann, den man im Auge behalten musste, doch im Augenblick konnte er ihn gelassen aus der Ferne beobachten.
Der Lord der Paleon-Stämme kämpfte die Müdigkeit nieder, als sein Geist wieder ruhig wurde. Die Dämmerung kam, und er hatte viel zu organisieren. Tessaya wollte ganz Balaia haben, und dazu brauchte er eine gute Kommunikation zwischen seinen Heeresteilen.
Nachdem die Wytchlords fort waren, konnten die Botschaften nicht mehr mithilfe der Schamanen ausgetauscht werden. Wieder musste Tessaya lächeln. Auch in dieser Hinsicht mussten sie nun wieder auf die alten Methoden zurückgreifen – Rauchzeichen, Signalflaggen und Vögel.
Tessaya
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