Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
Vielleicht
war es besser, nicht in der Nähe zu sein und das Ende nicht mit ansehen zu müssen.
Ilkar ließ den Kopf hängen und die Tränen fließen. Er stemmte die Hände gegen die Knie, als das Schluchzen seinen Körper schüttelte. Es gab keine Hoffnung für Julatsa. Wenn die Wesmen die Stadt erobert hatten, dann musste das Kolleg, dessen Mauern nicht gebaut waren, um einer Invasionsarmee standzuhalten, gewiss bald folgen. Dann war er wirklich allein und hatte nur noch den Raben. Er fragte sich, ob ihm dies reichen würde.
»Es ist nicht unbedingt alles vorbei, Ilkar.« Die Stimme kam von irgendwo aus der Dunkelheit. Er wischte sich die Augen trocken und spürte die Kälte. Er wusste nicht mehr, wie lange er schon allein hier gesessen war. Sein Rücken fühlte sich taub an. Er schauderte, er blinzelte, bis er wieder klar sehen konnte, und bemühte sich, die Gestalt zu erkennen, die sich ihm näherte. Im Zwielicht der sterbenden Feuer war der Umriss verschwommen.
»Lasst mich in Ruhe, Styliann«, fauchte er. »Glaubt ja nicht, Ihr könntet mitreden. Ihr habt keine Ahnung, wie es sich anfühlt.«
»Ganz im Gegenteil, Ilkar, und ich verzeihe Euch Eure Stimmung.« Styliann hielt nicht inne. Sechs Protektoren bauten sich rings um ihn auf.
»Vielen Dank auch.« Ilkar wandte den Blick ab. »Was wollt Ihr?«
»Ich bin gekommen, um Euch mein Mitgefühl auszusprechen und meine Hilfe anzubieten, wenn Ihr sie wollt, und ein wenig Hoffnung zu spenden.« Der Herr vom Berge machte keine Anstalten, sich zu setzen. Er blieb ein paar Schritt entfernt stehen und zeigte damit, dass er Ilkars Bedürfnis, Raum für sich zu haben, respektierte.
»Erstaunlich.«
Styliann seufzte. »Ich verstehe, wie schwer dies für Euch zu ertragen ist«, sagte er. »Und ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man isoliert ist, glaubt mir. Ich will Euch nicht drängen, mir zu antworten, ich bitte Euch nur, mir einen Moment zuzuhören.« Er hielt inne, Ilkar zuckte mit den Achseln.
»Ich habe nicht den Wunsch, das Gleichgewicht der Magie zu verändern. Das ist schon in ruhigen Zeiten gefährlich. Jetzt aber brauchen wir jeden Magier, den wir nur bekommen können, um die Bedrohung durch die Wesmen abzuwehren. Meine Kommunion heute Nacht hat mir nicht viel über die Lage in Julatsa verraten. Ich weiß nur das, was Darrick mir gerade gesagt hat. Ich werde aber morgen versuchen, mehr über die Situation zu erfahren. Ihr wollt, soweit ich weiß, noch einen Tag mit der Truppe reiten, und wenn ich Euch bis dahin weitere Einzelheiten geben kann, dann will ich es tun. Und jetzt zur Hoffnung.«
Styliann kam einen Schritt näher und senkte die Stimme.
»Ihr und ich, wir kennen die Fähigkeit der Kollegien, sich selbst zu schützen, besser als jeder andere hier im Lager. Die Tatsache, dass die Stadt gefallen ist, während das Kolleg bislang vermutlich intakt blieb, sagt mir, dass Julatsa einen Weg gefunden hat, die Armee der Wesmen aufzuhalten. Jetzt ist die Frage, wie lange sie noch standhalten können, und deshalb Eure Eile.«
Ilkar nagte an der Unterlippe, dann nickte er.
»Mag sein, mag sein. Und wie sehen Eure Pläne aus?«
Styliann kniff die Augen zusammen und knirschte mit den Zähnen. »Ich werde nach Süden reisen, aber getrennt von der Kavallerie. Meine unmittelbaren Interessen rufen mich in eine andere Richtung, auch wenn ich mich weiter dafür einsetzen werde, dass Septerns Werke für Euch freigegeben
werden. Ich fürchte allerdings, ich werde nicht in der Lage sein, sie zusammen mit Euch zu studieren.«
Dies kam für Ilkar völlig überraschend. Er riss den Kopf hoch, begegnete Stylianns Blick und spürte dessen Wut.
»Warum nicht?«
»Ich habe ganz eigene Probleme«, sagte er. »Es scheint so, als sei ich, wenigstens vorübergehend, nicht mehr der Herr vom Berge von Xetesk.« Er wandte sich um und schritt davon.
»Wie lange wird es noch dauern, bis du wieder Sprüche wirken kannst, Denser?« Der Unbekannte stellte seine Frage, direkt nachdem Darrick zu seinem Treffen mit Styliann aufgebrochen war. Denser hatte sich so weit erholt, dass er nicht mehr ständig liegen musste, sondern die meiste Zeit sitzen konnte. Er zuckte mit den Achseln und klopfte die Pfeife an einem Holzklotz aus, der ein Stück aus dem Feuer ragte. Die rieselnde Glut schimmerte einen Augenblick in der Dunkelheit.
»Das kann man nicht so einfach sagen«, antwortete Denser. Er wühlte im Tabaksbeutel, um die Pfeife neu zu stopfen. »Verdammt, da ist nicht mehr
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