Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
ausrichten, die es auf Balaia gab? Die Antwort auf die letzte Frage lautete natürlich: überhaupt nichts.
Styliann gähnte und sah sich um. Am Anfang des Zuges marschierten zwanzig Wesmen durch den Pass. Das Licht ihrer Laternen ließ komplexe Schatten über die dunklen Schieferwände der Passage wandern. Vor ihm kam die Decke plötzlich bis zu einer Höhe von fünfzehn Fuß herunter, und auf einer Seite wurde der Weg durch einen Abgrund begrenzt, der bis in die Tiefen der Hölle reichen mochte.
Die Luft war feucht und kühl, hier und dort tröpfelte Wasser herunter. Es mochten die Ausläufer eines lange vergessenen Regenfalls oder eines unterirdischen Stroms sein. Die Geräusche, das Tappen von Füßen und Hufen und das Klatschen der Schwertscheiden auf den Schenkeln, hallten lauter, als die Decke immer niedriger wurde. Zwischen Styliann und den Wesmen wurde kaum ein Wort gewechselt. Die anfängliche Tapferkeit der Krieger war unbehaglichem Flüstern und schließlich einem ängstlichen Schweigen gewichen. So ging es allen Menschen im Understone-Pass. Die mächtigen Berge über ihnen und die Enge der Passage nahmen ihnen das Selbstvertrauen.
Die Truppe kam gut voran, und nachdem sie eine Stunde marschiert waren, lagen die am westlichen Ende des Passes errichteten Baracken weit hinter ihnen. Hier konnte sie niemand mehr hören, ob von Osten oder von Westen.
Styliann lächelte. Es war Zeit. Er brauchte keine Führer oder Laternen oder Aufpasser. Es wäre für die Eskorte besser gewesen, sie wäre im Westen geblieben. Wenigstens hätten die Wesmen dort etwas länger gelebt.
Er dachte über seine Möglichkeiten nach und beschloss, seine Mana-Reserven nicht anzutasten, wie gering auch immer der Schwund gewesen wäre. Es war eine sinnlose Übung. Keiner der Wesmen hatte einen Bogen dabei – eine Unterlassungssünde, die sie mit dem Leben bezahlen sollten. Er beugte sich im Sattel vor, bis dicht an Cils Ohr, der jetzt in seiner besonderen Gunst stand und im Zentrum des Verteidigungsgürtels marschierte, der Styliann umgab.
»Vernichtet sie«, flüsterte er. Cil nickte leicht, er hatte verstanden. Ohne im Schritt zu zögern, gab er den Befehl an seine Brüder weiter. Styliann lächelte wieder, als eine Spannung entstand, unmittelbar bevor die Wesmen unversehens
in einen Kampf verwickelt wurden, der so schnell wieder vorbei war, wie er begonnen hatte.
Acht Protektoren liefen nebeneinander und zogen die Äxte aus den Schlaufen an den Hüften, um sie den ahnungslosen Wesmen, die einige Schritte vor ihnen gingen, in die Nacken und die Rücken zu schlagen. Hinten drehten sich dreißig Protektoren um, hoben die Äxte und hackten die Wächter nieder, die erschrocken die Augen aufrissen.
Die Schreie und Rufe, die gleich darauf die höhlenartige Passage erfüllten, kündeten vom Tod, es war kein Ruf zu den Waffen. Das dumpfe Schmatzen von Stahl, der Fleisch spaltete, hallte laut in Stylianns Ohren.
Die Wesmen wollten sich umdrehen und zu den Waffen greifen, doch ihre Reihen lösten sich im Chaos auf, und der Schreck nach dem Überraschungsangriff vertrieb jeden klaren Gedanken. Selbst als ein paar sich den Angreifern stellten, wurden sie mit der erbarmungslosen Präzision und Kraft der Protektoren niedergestreckt. Mit jedem Schritt gewannen sie Boden, jeder Schlag traf, und niemals drang ein Laut hinter ihren Masken hervor.
Hinten gab es geringen Widerstand, der jedoch schnell beseitigt wurde. Ein Wesmen-Krieger stieß einen Kampfruf aus und blieb tapfer stehen, die anderen sammelten sich und akzeptierten ihn als Anführer. Für kurze Zeit flogen in dem nur trüb von Laternen erhellten Gang die Funken, und man hörte Stahl auf Stahl klirren. Doch die Protektoren erhöhten einfach die Geschwindigkeit und Durchschlagskraft ihres Angriffs und holten sofort zum nächsten Hieb aus, kaum dass der letzte sein Ziel getroffen hatte. Die Wesmen wehrten sich verzweifelt, aber vergeblich.
Blut machte den Boden glitschig, und überall lagen verstümmelte und entsetzlich zugerichtete Leichen herum.
Die Protektoren gingen mit ausdruckslosen Gesichtern auf die verbliebenen Wesmen los, es waren höchstens noch zehn, doch diese drehten sich um, flohen und schrien Warnungen, die niemand hören konnte.
»Fangt sie und tötet sie«, sagte Styliann.
Ein halbes Dutzend Protektoren löste sich an jedem Ende aus der Gruppe, stieg langsam über die Reste des Gemetzels und rannte nach Osten oder nach Westen. Ihre Schritte kündigten den
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