Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
trifft sich. Da wollten wir sowieso hin.«
»Ich weiß. Aber ihr werdet nichts unternehmen, wenn wir dort sind.«
»Dann sind wir Gefangene?«
»In gewisser Weise.« Darrick wandte den Blick ab.
»Seltsam, wie sich die Dinge ändern, was?«, sagte der Unbekannte.
»Eigentlich nicht«, antwortete Darrick. »Willst du sie wecken, oder mache ich das?«
Der Unbekannte lächelte. »Ich mache das. Du weißt ja, wie reizbar Magier sind, wenn sie unversehens geweckt werden. Hast du Hirad schon geschnappt?« Er sah keinen Grund, die Abwesenheit des Barbaren zu verheimlichen. Darrick war kein Narr.
Doch Darrick biss sich nur auf die Unterlippe und senkte den Blick. »Nein«, sagte er. »Ich fürchte, wir sind zu spät gekommen.«
»Der gute alte Hirad.« Hoffnung flackerte auf, doch Darrick zerstörte sie wieder.
»Unbekannter, du verstehst es nicht. Wir haben ihn gefunden, aber wir sind zu spät gekommen.« Er fuhr sich mit dem Handschuh durch die verfilzten Locken. »Bei den Göttern, wie soll ich es ausdrücken? Die Wölfe hatten ihn schon umstellt, als die Späher eingetroffen sind. Es tut mir Leid.«
Arlen verzichtete auf sein Pferd und zog es vor, in Begleitung von zwanzig Stadtwächtern eine unübersehbare Demonstration seiner Stärke zu geben und mitten durch die Stadt zu marschieren. Es hätte schnellere Wege zum Hafengasthof gegeben, doch Arlen wollte, dass so viele wie möglich, Freunde wie Feinde, seinen Auftritt sahen.
Als die Sonne versuchte, den bewölkten Tag zu erwärmen
und die Straßen zu trocknen, die wieder einmal von für die Jahreszeit ungewöhnlich heftigen Regenfällen überflutet worden waren, schritt Jasto Arlen aus dem Tor der Burg von Arlen. Er lief rasch den breiten, mit Kies bestreuten Weg zwischen seinem privaten Garten und der Kaserne hinauf, bog auf dem Marktweg nach rechts ab und folgte der kurvenreichen Straße, die den Ort mit den nach Norden führenden Straßen verband. Vom Marktweg zweigten auf ganzer Länge Seitenstraßen ab, während im Osten bis zum Garten der Märtyrer die teuren Häuser der Kaufleute und Reeder standen. Im Westen und südlich der Kaserne grenzten der Markt für Seide und Luxusgüter und das Theater an ein weniger wohlhabendes Viertel. Dort standen auch die Hütten und Häuser der Arbeiter, von denen einige auf Arlens Burg beschäftigt waren, und dort befanden sich auch die Stallungen und der schlichte, aber höchst wichtige Meerestempel.
Arlen schritt geradewegs den Marktweg hinunter, eine leicht abschüssige Pflasterstraße, die bis zum Jahrhundertplatz führte, auf dem sich der Hauptmarkt befand. Dort wurde von Lebensmitteln über Waffen bis zu kostbaren, geschnitzten Möbeln so gut wie alles verkauft. Umgeben war der Markt von Restaurants, Gasthöfen und einer Galerie. Zu so früher Stunde waren noch nicht viele Käufer auf dem Markt, doch die Kunde würde sich rasch verbreiten, und Arlens Zorn war keineswegs verraucht. Seine Stadt war wohlhabend und schön, durch harte Arbeit und strenge geschäftliche Ethik aufgebaut. Das durfte niemand infrage stellen.
Er winkte den Stadtbewohnern zu, grüßte alle, die er kannte, und bog schließlich am Platz nach rechts ab, um ein ärmeres Wohnviertel zu durchqueren, wo früher die Matrosen der Fischkutter gelebt hatten, und wo jetzt der
Fang in Kühlhäusern gelagert wurde, bevor er am Vormittag auf dem Fischmarkt im Hafen verkauft wurde. Arlen ging an der Eisenschmelze und dem Fischmarkt vorbei zum Hafen und betrachtete die leeren Becken, in denen sonst die Fischereiflotte ankerte, und die Anlegeplätze mit tiefem Wasser für seetüchtige Schiffe, bevor er wieder nach links abbog und an einem hübschen, schlanken Elfenschiff, das offenbar gerade erst angelegt hatte, vorbeikam. Dann endlich stand er vor der Tür des Hafengasthofs.
Wenn er sich auf der Mole umschaute, konnte er vom Salzviertel bis zum Holzplatz nur wenige Menschen sehen, darunter einige Schwarze Schwingen, die an den Pollern lümmelten. Wie die Stadtbewohner und die Besucher richteten auch sie sich auf, und kaum dass sein Wachtmeister an die Tür des Gasthofs geklopft und Einlass begehrt hatte, sammelte sich schon eine Menschenmenge. Aufgeregte Stimmen erfüllten die Luft, und immer mehr Männer und Frauen verließen ihre Arbeitsplätze und sahen neugierig zu.
Riegel wurden zurückgezogen, und der linke Flügel einer schwarz lackierten Doppeltür wurde quietschend geöffnet. Der Sohn des Wirts, ein dürrer Bursche von etwa zwölf Jahren,
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