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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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jetzt dieses Schiff geradewegs nach Ornouth steuern. Weicht auch nur einen Fingerbreit vom Kurs ab, und Eure Mannschaft wird leiden.«

    Der Kapitän lachte. »Wie wenig ihr Schwarzen Schwingen doch versteht. Ich habe nicht die Absicht, zu irgendeinem anderen Ort zu segeln. Wir gehören nach Ornouth. Ihr seid dort Fremde. Und jetzt, da Erienne fort ist, hat sich die Lage verändert. Vorher habe ich Euch dorthin gebracht, damit Ihr töten könnt. Jetzt bringe ich Euch hin, damit Ihr sterbt.«
     
    Obwohl die abscheulichen Erinnerungen an die Schwarzen Schwingen sie plagten, arbeitete Erienne die ganze Nacht durch. Die erzwungene Pause in der Anwendung des Mana hatte es ihr erlaubt, große Reserven anzusammeln. Sie sehnte sich nach Densers warmer Umarmung, doch es gab einen anderen Mann, der sie noch dringender brauchte.
    Die Beckenknochen des Unbekannten Kriegers waren zerstört wie eine Vase, die auf einem Steinboden zerschellt war. Knochensplitter waren ins Fleisch eingedrungen. Muskeln, Sehnen und Bänder waren zerfetzt und starben ab. Das Gelenk war voller Risse, konnte sein Gewicht nicht mehr tragen und erst recht keine Bewegungen ausführen. Die Schmerzen mussten, obwohl er in magischem Schlaf lag, entsetzlich sein.
    Tränen quollen ihr aus den Augen, als sie mit ihrem Bewusstsein und mit vorsichtigem Tasten die furchtbaren Verletzungen erforschte. Sie hätte beinahe gesagt, dass nichts mehr zu machen sei, nicht einmal mit einem Körperspruch, doch der Ausdruck in Hirads Augen, als er sie bat, dem Unbekannten zu helfen, hätte sie ihr Leben lang nicht mehr losgelassen. Er war gekommen, um sie zu retten, und sie konnte ihn nicht im Stich lassen. Er wollte nicht einmal, dass sie den Bolzen aus seinem Bein entfernte, bevor sie nicht versprochen hatte, es beim Unbekannten
wenigstens zu versuchen. Dann hatte er sie geküsst, und sie hatte seine raue Haut auf der Wange gespürt. Es war ein Gefühlsausbruch, den sie ihm nicht zugetraut hätte, doch dann sagte sie sich, dass es ungerecht sei. Der Barbar versteckte seine Gefühle unter der rauen Schale eines Kriegers, doch sie waren so tief wie bei jedem anderen Menschen, wenn nicht sogar tiefer.
    Sie schuf die Gestalt für einen Körperspruch. Es war ein äußerst vielseitiger Spruch, der aber schwer zu kontrollieren war. Dabei entstand eine angenehme Wärme, die ihre Hände einhüllte, während sie noch einmal die Hüfte des Unbekannten erforschte. Sehnen zogen sich zurück und gaben das entzündete Fleisch frei, das sie als Erstes behandelte, um sich dann dem Hauptproblem zuzuwenden.
    Sie lenkte das Mana, löste nacheinander die Splitter aus dem Fleisch und verschob sie zum Hüftknochen. Dort ordnete sie die Teile vor sich an wie die Stücke eines Puzzles für ein Kind. Sie benutzte den Spruch, um die Trümmer zu untersuchen, ihre Ränder zu erforschen und herauszufinden, woher sie gekommen waren. Die Splitter, die zu klein waren, ließ sie nach außen wandern, wo sie auf ein blutiges Tuch fielen. Sie musste hoffen, dass der Knochen mit der Zeit von selbst nachwachsen würde.
    Doch sie hatte nicht viel Zeit. Sie wusste genau, dass weitere Kämpfe kommen würden. Die Dordovaner würden bald den Weg nach Herendeneth finden, und dann musste der Unbekannte wieder fähig sein, mit ganzer Kraft für den Raben zu kämpfen.
    Sie machte sich an die Arbeit, wirkte den Körperspruch und formte, modellierte, fügte zusammen und heilte. Es war ein langsamer, mühsamer und ungeheuer
anstrengender Vorgang. Mit hauchdünnen Mana-Fäden lenkte sie Splitter und Knochenstücke an den richtigen Platz, schloss die Risse im Gelenk und verknüpfte die durchtrennten Nerven und Muskeln.
    Es war nicht perfekt, das war klar. Wenn sie unmittelbar nach der Verwundung hätte helfen können, dann hätte es vielleicht anders ausgesehen, doch inzwischen war zu viel Zeit verstrichen, und der Körper hatte bereits auf seine eigene, unvollkommene Art und Weise begonnen, sich selbst zu heilen. Einige dieser körpereigenen Eingriffe konnte sie nicht mehr rückgängig machen. Ein viel zu großer Abschnitt des Knochens war völlig zertrümmert, und in weiten Bereichen konnte sie mit ihrem Körperspruch nicht viel ausrichten. Es gab eben Dinge, die auch mit der stärksten Magie nicht mehr zu reparieren waren.
    Der Unbekannte würde nie wieder so sein wie früher. Wie er damit zurechtkäme, blieb ihm selbst überlassen.
     
    Erst eine ganze Weile nachdem die Sonne am nächsten Tag den Zenit überschritten

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