Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
schadet. In gewisser Weise wird sie also vom Mana kontrolliert. Alle ihre Gefühle und Reaktionen finden einen Widerhall im Mana, das sie in sich trägt.
Wenn sie wütend ist, schlagen Blitze auf der Insel ein. Wenn sie traurig ist, regnet es. Wenn sie glücklich ist, scheint die Sonne. Es sind ganz einfache Metaphern. Wie man es eben von einem fünfjährigen Mädchen erwarten kann.«
»Das kann ich irgendwie verstehen«, stimmte Ilkar zu. »Aber das war noch nicht alles, oder?«
Nerane nickte, beinahe hätte sie gelächelt. »Es gibt noch eine Reihe anderer Punkte. Vor allem sind die Mana-Ereignisse umso heftiger, je tiefer die Emotionen werden. Von einer oder zwei Ausnahmen abgesehen können wir damit umgehen. Unser Hauptproblem ist aber, dass ihr Unterbewusstsein das Mana auf gefährliche Weise formt, damit sie ihren Willen bekommt. Sie manipuliert uns, und ihre Wut blieb beispielsweise nicht auf Blitze beschränkt, nachdem sie aufgewacht ist.«
Ilkar nickte. »Geistige Angriffe?«, sagte er.
»Ja. Wenn ihr Ziel ein einzelner Mensch ist. Ihr habt den Westflügel des Hauses gesehen. Das war ein Wutanfall, der sich als Erdbeben manifestiert hat. Siebzehn Elfen der Gilde fanden dabei den Tod. Wir hier sind die Einzigen, die überlebt haben.« Arrin blickte zu seinen Gefährten. Nerane legte ihm einen Arm um die Schultern.
»Es tut mir Leid.«
Nerane zuckte mit den Achseln. Ihre ganze Verzweiflung kam in der Geste zum Ausdruck. »Im Moment benutzt sie die Al-Drechar als Energiequellen für den
Strahl, den sie in den Obstgarten gesetzt hat, auch wenn sie es nicht weiß. Wir wagen nicht, sie zu bitten, den Strahl zu entfernen. Das macht sie sehr wütend.«
»Und jetzt versteckt Ihr Euch vor ihr?«, fragte Ilkar.
»Ja«, sagte Nerane. »Ich weiß, es ist albern, vor einem kleinen Kind so viel Angst zu haben, aber sie kann nicht damit umgehen, wenn man Nein zu ihr sagt, und sie wollte Ephemere wecken. Als wir sie nicht ins Zimmer lassen wollten, wurde sie wütend und hat das halbe Dach des Ballsaals zerstört. Das war gestern. Wir hatten Glück, dass sie die Küche nicht mag, sonst wären wir wohl nicht mehr hier.«
Keiner von ihnen erwiderte Ilkars Blicke, ihre Verlegenheit war fast körperlich spürbar. Er konnte ihnen jedoch keine Vorwürfe machen. Ein Nicht-Magier hatte absolut keine Verteidigung gegen die Magie, und sie konnten nicht viel tun außer sich zu verstecken. Verantwortungsbewusstsein war ein entscheidender Punkt in der Ausbildung eines Magiers. Lyanna musste noch viel lernen.
»Und seitdem ist keiner von euch noch einmal durch diese Tür getreten?« Er deutete hinter sich.
»Nein«, gab Arrin zu. »Wir wissen, dass Aviana tot ist. Sie ist vor zwei Tagen gestorben, aber Lyanna wollte nicht, dass wir sie wegbringen.«
»Also gut.« Ilkar hob eine Hand. »Hört zu, es gibt einige Dinge, die wir unbedingt tun müssen. Lyanna ist bei Erienne, sie haben das Haus verlassen. Ihr schafft jetzt die tote Magierin hinaus und kümmert Euch um die Lebenden. Dann müsst Ihr mir zeigen, in welchem Zustand das Haus ist. Weitere Freunde von mir sind unterwegs, es sind etwa dreißig, aber auch die Dordovaner kommen. Sie wollen Lyanna töten. Ihr müsst mir helfen, damit das
nicht geschieht. Was meint Ihr?« Ilkar hatte auf einmal das Gefühl, er spräche mit Kindern. »Bitte, Ihr müsst uns vertrauen. Erienne wird Lyanna überreden, den Leuchtturm aufzulösen, und vielleicht können die Al-Drechar sich wieder erholen. Ich muss wissen, ob sie irgendwie fähig sind, uns zu helfen.«
Arrin runzelte die Stirn. »Wer sollte Lyanna denn töten wollen?«
Ilkar seufzte. »Was Ihr hier erlebt hat, geschieht seit siebzig Tagen oder länger auch auf Balaia. Tausende sind tot, viele weitere haben ihr Heim verloren, und das Land zerfällt. Manche glauben, Lyannas Tod sei die beste Lösung, um alledem Einhalt zu gebieten. Erienne und Denser denken, dass es noch einen anderen Weg gibt. Also, werdet Ihr uns helfen?«
»Das ist überhaupt keine Frage«, sagte Arrin. »Wir sind die Gilde der Drech. Wir sind der Sache des Einen verpflichtet.« Er wandte sich an die noch lebenden Mitglieder der Gilde. »Ihr habt gehört, was getan werden muss. Trinkt aus, dann kümmert ihr zwei euch um Aviana. Zwei weitere sehen nach Ephy, Myra und Clerry. Zwei weitere bereiten eine Mahlzeit für dreißig Gäste vor. Seht zu, was ihr finden könnt, und backt Brot, wenn sonst nichts anderes da ist. Ich mache inzwischen mit Ilkar einen Rundgang
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