Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
Vom Netzwerk:
hatte. Überall waren die Menschen stehen geblieben und sahen sich um. Denebre war alt, doch seine Augen waren scharf wie eh und je. Er konnte erkennen, dass die Stadtbewohner hierhin und dorthin deuteten, mit den Achseln zuckten oder die Köpfe schüttelten und ihres Weges gingen. Auf dem Markt herrschte jetzt, nach der Mittagspause, wieder etwas Betrieb, die Rufe der fliegenden Händler übertönten den allgemeinen Lärm, Männer und Frauen verließen die Gasthöfe, und der Verkehr bewegte sich gemächlich auf den gepflasterten, makellos sauberen Straßen.
    Lord Denebre war nicht übermäßig reich, doch was er entbehren konnte, das gab er dafür aus, den Ort seiner Geburt so zu erhalten, wie er ihn seit seiner Kindheit in Erinnerung hatte. Sein Volk achtete und beschützte die Stadt, und wer etwa als Reisender in den Ort kam und glaubte, die vermeintlich verweichlichten Städter übervorteilen zu können, der bekam rasch die harte Hand zu spüren, mit der, wenn nötig, der Lord durchaus zu regieren
wusste. Zwar ließ er keine öffentlichen Galgen in der Stadt aufstellen, doch an den Zufahrtsstraßen wurden hin und wieder Räuber oder Diebe gehenkt. In seiner Naivität hatte der Lord zunächst geglaubt, einige abschreckende Beispiele müssten ausreichen, doch über die Jahre sollte er immer neuen Anlass bekommen, über die Dreistigkeit und Dummheit der Spitzbuben zu staunen.
    Sein Leben war überwiegend erfreulich verlaufen, und seine Söhne und Töchter hatten sich verpflichtet, die Idylle auch nach seinem Tod zu erhalten. Dies hatte es nur noch schwerer gemacht, als die Wesmen gekommen waren und alles, woran sein Herz hing, zu vernichten drohten.
    Gewiss, sie waren wieder abgezogen, zurück über die Blackthorne-Berge. Er glaubte nicht, dass sie noch einmal eine Invasion versuchen würden, und wenn, dann gewiss erst lange nachdem er in die Gruft gelegt worden war. Denebre lächelte in sich hinein und holte am Fenster tief Luft. Ein zweites Knacken durchbrach die Ruhe des Tages, und auf dem Markt wurde es still. Es war ein unheimliches Geräusch, das sich durch den Boden fortpflanzte und sogar die Burgmauern leicht beben ließ.
    Denebre runzelte die Stirn und spähte hinaus, beschattete die Augen mit zitternder, altersfleckiger Hand und starrte zu den niedrigen Hügeln am Südufer des kleinen Sees, wo er als Junge geangelt hatte.
    Eine schwarze Narbe lief durch den mit Gras und Farn bewachsenen Hang. Denebre konnte sich nicht erinnern, diese Spur schon einmal dort gesehen zu haben … vielleicht war sie während des heißen, trockenen Sommers durch einen Brand entstanden. Sofort verwarf er den Gedanken wieder. So etwas hätte er keinesfalls übersehen.

    Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, dann raste es. Die Narbe bewegte sich. Sie bewegte sich schräg nach unten, verschlang immer mehr vom satten Grün und spie eine Staubwolke in die Luft.
    »Nein, nein«, keuchte er. Sein Atem ging stoßweise. Noch zwei weitere Male knackte es, und zwei weitere Risse tauchten auf. Das Land stürzte in die Abgründe, die sich auftaten, und die entsetzlichen braun-schwarzen Linien rasten den Hügel hinunter, während ein tiefes, tödliches Grollen zu hören war.
    Die Vibrationen in der Burg wurden stärker. Auf dem Markt wurden jetzt besorgte, fassungslose Rufe laut. Stände schepperten, ein Orangenstapel geriet ins Rutschen, und die Früchte hüpften über die Straße. Die Standbesitzer eilten, ihre Waren wieder einzusammeln. Der erste Instinkt galt dem Schutz des Geschäfts, nicht dem eigenen.
    Die Risse, die für die Menschen in der Stadt noch nicht zu sehen waren, bewegten sich unglaublich schnell. Sie erreichten das Südufer und verschwanden unter dem See. Einen glücklichen Moment lang dachte Denebre, das Wasser habe ihren Vormarsch aufgehalten, doch das Grollen hörte nicht auf, und das Beben wurde sogar noch stärker. Hinter ihm fiel ein Bild von der Wand, im Kamin rutschten die Holzklötze ineinander.
    Die friedliche Oberfläche des Sees geriet in Wallung. Vom Zentrum aus liefen Wellen in alle Richtungen, riesige Blasen stiegen an die Oberfläche, und schließlich schoss mit einem dumpfen Knall und einem lauten Schmatzen eine Wassersäule empor, deren Gischt als heftiger Regen wieder herunterkam.
    Denebre hielt sich an der Fensterbank fest, weil er wegen der Vibrationen im Boden nicht mehr sicher stehen
konnte. Staub wallte aus allen Spalten, und sein Sessel klapperte auf den Steinfliesen.
    Das Verhängnis nahm seinen

Weitere Kostenlose Bücher