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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Lauf. Das Ackerland nördlich des Sees stürzte in den Abgrund, als sei es hinuntergezogen worden. Tränen liefen dem alten Lord übers Gesicht. Was die Wesmen nicht erreicht hatten, holte die Natur in einem Augenblick nach.
    Er beugte sich aus dem Fenster. Unten in der Stadt brach mittlerweile das Chaos aus. Die Menschen schrien oder riefen Warnungen. Füße glitten auf den bebenden Straßen aus, Türen fielen zu, Fenster kippten aus dem Rahmen, und das Brüllen des nahenden Untergangs hatte immer noch kein Gesicht.
    »Lauft, lauft«, fluchte Denebre hilflos. Seine Stimme war schwach vor Alter und konnte den Lärm nicht übertönen. Er winkte hektisch, doch selbst wenn jemand hochschaute, konnte er nicht erkennen, was der alte Lord meinte. Er musste ohnmächtig zuschauen, wie die Erde seine Stadt verschlang.
    Das Land kippte an den Rändern der Risse nach innen. Jetzt wurden die ersten Häuser der Stadt hinabgezogen, und weiter ging es, schnurgerade in Richtung Burg und schneller, als ein Pferd rennen konnte. Die ganze Welt bebte jetzt. Plötzlich sackte der Boden unter ihm weg, Denebre konnte sich nicht mehr festhalten und stürzte schwer zu Boden. Er spürte, wie ein Knochen in seiner Hand brach, als er den Sturz abzufangen versuchte.
    Er schrie, sein Atem kam in kurzen Stößen, aber niemand konnte ihn hören. Das Grollen war zu einem ohrenbetäubenden Brüllen angeschwollen, als sei ein in der Erde lebender Leviathan an die Oberfläche gekommen. Denebre richtete sich mühsam wieder auf. Der Boden bebte, die Fensterrahmen krachten, die Scheiben waren
längst gesprungen. Hinter ihm fiel ein Balken aus der Decke und krachte ins Feuer, brennende Scheite flogen durchs Zimmer, die Glut verteilte sich im kleinen Raum. Der alte Lord achtete kaum darauf.
    Die Panik griff auf den Straßen und dem Marktplatz um sich. Männer, Frauen und Kinder rannten blindlings vor der Gefahr weg, die keine Gnade kannte. Balken splitterten, Steine zerbrachen, ganze Gebäude schüttelten sich unter den mächtigen Zuckungen des Landes, bevor sie im Schlund der Bestie verschwanden, die alles verschlang, was auf ihrem Weg lag.
    Dichte Staub- und Rauchwolken ballten sich über Denebres Stadt zusammen. Die Menschen krochen umher und versuchten verzweifelt, aus dem versinkenden Land zu fliehen, doch sie verloren den Halt und rutschten kreischend in den Abgrund der Erde. Das Torhaus der Burg bebte heftig und zerfiel, riesige Spalten klafften in den Mauern rings um den Burghof, die Befehle der Wächter gingen in den schrecklichen Schreien der Pferde und im Durcheinander von hundert armen Seelen unter, die versuchten, sich vor einem Schicksal zu retten, vor dem es kein Entrinnen gab.
    Lord Denebres Turm schwankte gefährlich. Hinter ihm brach ein zweiter Balken aus der Decke. Dachziegel fielen am Fenster vorbei in den Spalt, der sich direkt vor der Tür seines Hauses auftat und unter dem Bergfried hindurch weiterlief.
    »Mögen die Götter uns gnädig sein«, flüsterte er.
    Plötzlich bebte der Turm wieder, der Fensterrahmen löste sich vollends aus dem Mauerwerk und fiel hinunter. Die Luft war voller Staub, überall ächzten und krachten Stein und Holz. Denebre blieb unerschütterlich stehen und lehnte sich an die bebende Wand, doch der ganze
Turm stöhnte jetzt, nachdem seinen Fundamenten eine tödliche Wunde zugefügt worden war.
    Draußen war der Marktplatz inzwischen verschwunden. Nur noch Schutthaufen lagen dort. Der Leviathan hatte Erdwälle aufgetürmt und das Gelände mit Körpern übersät, von denen sich nur noch sehr wenige bewegten.
    Lord Denebre warf einen letzten Blick zum Himmel, der blau und friedlich war. Die Sonne schien. Unter seine Füßen machte der Turm eine Schwindel erregende seitliche Bewegung, die ihn abermals den Halt an der losen Fensterbank verlieren ließ. Seine Knie gaben nach, und er kippte nach vorn. Er war fest entschlossen, seine geliebte Stadt nicht aus dem Auge zu lassen. Ein dumpfer Knall weit unter ihm, den er in den Füßen spürte, verriet ihm, dass die zentralen Stützen des Turms zerbrachen.
    Der Turm schwankte, ein Höllenlärm schlug ihm in die Ohren, überall stürzten die Mauern zusammen. Sein ganzes Zimmer ruckte und sank hinab. Steine brachen durch die Decke, prallten auf den Fußboden und durchschlugen ihn; draußen fielen die Dachziegel wie ein Regenschauer.
    Ein dritter heftiger Ruck, und der Turm legte sich schief, kippte und rutschte unaufhaltsam weiter. Denebre wischte sich Staub und Tränen

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