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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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einzusehen, warum Vuldaroq die Übersetzung hatte entfernen lassen.
    Denser kochte, als ihm bewusst wurde, dass Lyanna sich jeden Tag, den sie in Dordover verbracht hatte, ohne es zu wissen in tödlicher Gefahr befunden hatte. Das Damoklesschwert hatte bereits über ihr geschwebt. Auch Erienne wusste davon offenbar nichts, obwohl sie während ihrer eigenen Ausbildung in Dordover mit Tinjatas Text in Berührung gekommen sein musste. Andererseits mochte Vuldaroq ihr diese entsetzliche Passage ebenso vorenthalten haben, wie er es bei Denser versucht hatte.
    Er las noch einmal die Worte, die sie zusammengefügt hatten, während Wut und Erleichterung in ihm um die Vorherrschaft kämpften. »… für immer zum Schweigen bringen … Ritual … Reihenfolge der Spruchwirkung … erst dann kann der Atem unterbrochen werden und die Feier beginnen … Asche entsprechend verstreuen … Anforderungen der Überlieferung.«
    »Es kann hier also keinen Zweifel geben?«
    Ciryn zuckte mit den Achseln. Sie sah ihn mit dunklen Augen an, die in einem schmalen, eher unauffälligen Gesicht saßen.
    »Nicht in Bezug auf die Worte, Meister Denser, wohl aber in Bezug auf die Bedeutung.«
    Er hätte eigentlich nicht überrascht sein dürfen. Die rituelle magische Tötung, von der dort die Rede war, bedeutete freilich, dass die Dordovaner keinen Deut besser waren als die Schwarzen Schwingen, nur nicht ganz so willkürlich in der Auswahl ihrer Opfer.
    Denser kehrte zu einem Abschnitt am Ende der Prophezeiung zurück. Bisher hatte Ciryn nur herausgefunden,
dass die Worte mit einer weiteren Gefahr für die dordovanische Ordnung zu tun hatten. Eine eigenartige Form der Abschirmung wurde beschrieben, doch es gab keine Hinweise auf das Wirken irgendeines Spruchs. Außerdem war Ciryn der Ansicht, dass derjenige, der die Abschirmung übernahm, im Laufe dieses Prozesses sterben konnte, oder mindestens, wie sie es ausdrückte, eine »unwiderrufliche Veränderung« erfahren werde. Der Magier des Einen Weges sollte dabei auf eine nicht näher bestimmte Weise wachsen.
    Auch Denser hatte – genau wie Ciryn, wenngleich weniger systematisch – die Texte durchgesehen, die links neben ihm lagen. Er hatte nach irgendwelchen Hinweisen gesucht, um wenigstens eines der Worte in der dordovanischen Überlieferung zu entschlüsseln, die sie bisher nicht verstanden. Ihre Wissensbasis war so entsetzlich schmal. Dabei war die Prophezeiung nur in der einfachen Überlieferung notiert. Hätte sich der Text um die Konstruktion oder das Wirken von Sprüchen gedreht, dann hätten sie überhaupt nichts lesen können. Die höheren dordovanischen Dialekte waren für Xetesk völlig unverständlich.
    Denser seufzte, und Ciryn schaute auf. Sie runzelte die Stirn und hielt mit gespreizten Fingern eine Schriftrolle offen, während sie nervös an der Unterlippe nagte.
    »Meister Denser?«
    »Es tut mir Leid, aber ich kann das alles nicht verstehen.«
    »Ich fürchte, ich verstehe jetzt etwas mehr«, sagte die Forscherin.
    »Warum fürchtet Ihr es?«
    »Weil Ihr der Vater des Kindes seid. Ich schreibe den Text auf, den ich gerade übersetzt habe«, schlug Ciryn vor.
    »Nein, sagt es mir einfach so«, verlangte Denser.
    »Oh. Also gut.« Sie holte tief Luft. »Ich glaube, es geht hier nicht um eine Abschirmung, das war die falsche Interpretation. Aber es ist eine Möglichkeit, um einen Magier des Einen Wges unbeschadet aus der Nacht ins Licht zu holen.«
    »Wie denn?« Endlich eine Chance, seiner Tochter zu helfen.
    »Der Vater muss dem Sturm seinen Geist öffnen und das Kind mit der Kraft seines Geistes umgeben, damit das Licht den jungen Magier erreicht und die Erweckung vollenden kann.«
    Denser begann schlagartig zu frieren. »Aber das bedeutet doch, dass ich …«
    »Dass Ihr Euch unwiderruflich verändern werdet, ja.«
     
    Am nächsten Morgen nahm der Kreis der Sieben Densers Vortrag in völligem Schweigen auf. Tief unter dem Turm des Herrn vom Berge hatten sie ihm widerwillig in der Laryonkammer eine Audienz gewährt und wie gebannt angehört, was er über die jüngsten Ereignisse in Dordover, über Eriennes Brief und die Arbeit, die er und Ciryn am vergangenen Abend abgeschlossen hatten, berichten konnte.
    Der Kreis der Sieben, die xeteskianischen Meister der Türme, denen Dystran vorstand, der glückliche Erbe des Berges, hatte damit gerechnet, unter Druck gesetzt zu werden, damit die Forschungen beschleunigt wurden. Nun aber bekamen sie einen Hilferuf zu hören, und

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