Der Canyon
Tatsache zu ignorieren, dass sein Mund sich anfühlte, als sei er voller Sand. Die quälende Gier nach Wasser war längst kein bloßer Durst mehr, sondern ein körperlicher Schmerz.
Die Klettertour war anstrengend, die Höhe Schwindel erregend, doch es gab reichlich guten Halt. Tom kletterte methodisch und sah regelmäßig nach, wie Sally vorankam. Sie war sehr sportlich und hatte den Dreh bald heraus. Ford kletterte furchtlos wie ein Affe – offenbar ein Naturtalent. Je höher sie stiegen, desto erschreckender wurde die Leere unter ihnen, riesig und Furcht einflößend. Sie kletterten frei, keine Seile, keine Haken, nichts. Wer fiel, starb.
Tom konzentrierte sich auf die Felswand vor ihm. Er war längst in jenem unerforschten Land jenseits der Erschöpfung. Sie erreichten einen kleinen Felsvorsprung, zogen sich hinauf und ruhten ein wenig aus. Ford holte seine Feldflasche hervor.
»O Gott, ist das Wasser?«, fragte Sally.
»Ja, sehr wenig. Nehmen Sie zwei Schlucke.«
Sally packte die Flasche und trank mit zitternden Händen. Dann reichte sie sie an Tom weiter, der ebenfalls trank. Das Wasser war warm und schmeckte nach Plastik, doch für Tom war es die köstlichste Flüssigkeit, die er je im Leben genossen hatte, und er musste all seine Willenskraft aufbieten, um nach wenigen Schlucken aufzuhören. Er gab die Flasche Ford zurück, der sie in seinen Rucksack steckte, ohne etwas zu trinken.
»Wollen Sie denn keins?«
»Ich brauche es nicht«, kam die angespannte Antwort.
Tom blickte auf. Er konnte immer noch das ferne, mückenartige Summen der Drohne hören, das Ding aber nicht mehr sehen. Er drückte den Rücken gegen den Stein und versuchte nach wie vor, den Angriff von vorhin zu begreifen. »Was zum Teufel ist hier los?«
»Das Ding, das uns jagt, ist eine Vierzig-Millionen-Dollar-Drohne, ein unbemanntes Luftfahrzeug, topsecret von vorn bis hinten.«
»Warum? «
Ford schüttelte den Kopf. »Ich weiß es auch nicht genau.«
Die Felswand strahlte Hitze ab. Tom musterte den Rest der Wand über ihnen, suchte sich eine Route und begann zu klettern. Die anderen folgten ihm schweigend. Sie waren jetzt gut sechzig Meter hoch, aber das Klettern wurde immer leichter. Fünf Minuten später hatten sie den steilsten Teil der Felswand bewältigt. Der Rest war ein anstrengendes Kraxeln über Geröllhalden und Felsvorsprünge. Oben angekommen, streckte Sally sich keuchend auf dem flachen Fels aus, und Tom legte sich neben sie. Er blickte in den leeren Himmel hoch, von dem kein Laut zu ihnen drang – die Drohne war offenbar verschwunden.
Ford holte eine arg mitgenommene Karte aus der Tasche und faltete sie auf.
»Wo sind wir?«, fragte Tom.
»Gerade so nicht mehr da drauf.« Er faltete die Karte wieder zusammen.
Tom musterte die Landschaft, die sich vor ihm erstreckte. Die Mesa war ein Hochplateau aus glattem Sandstein, abgeschliffen und ausgehöhlt von Wind und Regen. Einige tiefer gelegene Stellen hatten sich mit herangetragenem Sand gefüllt, den der beständige Wind zu einem Wellenmuster geformt hatte. Hier und da klammerte sich ein vom Wind verkrüppelter Wacholderbusch an eine Spalte. Der Tafelberg endete nach etwa vierhundert Metern in blauem Himmel. Tom kniff die Augen zusammen und spähte hinüber. »Ich möchte sehen, was hinter dieser Kante liegt. Hier oben sitzen wir auf dem Präsentierteller.«
»Wir sitzen überall auf dem Präsentierteller, solange dieses Ding herumfliegt.«
»Beobachten die uns denn immer noch?«, fragte Sally.
»Davon können Sie ausgehen. Und ich zweifle nicht daran, dass sie uns einen Hubschrauber hinterherschicken. Ich würde sagen, wir haben noch zehn bis zwanzig Minuten.«
»Das ist doch Wahnsinn. Und Sie haben wirklich keine Ahnung, was hier vor sich geht?«
Ford schüttelte den Kopf. »Das Einzige, was mir dazu einfällt, ist dieser Dinosaurier.«
»Welches Interesse sollten die an einem Dinosaurier haben? Ich fände es viel wahrscheinlicher, dass ein Kampfjet hier irgendwo versehentlich eine Wasserstoffbombe verloren hat, oder dass ein hoch geheimer Satellit abgestürzt ist – so was in der Art.«
Ford schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Aber selbst wenn es um den Dinosaurier geht, warum sollten sie uns verfolgen?«, fragte Tom.
»Um Informationen zu bekommen.«
»Was für Informationen? Wir haben doch keine Ahnung, wo das Ding ist.«
»Das wissen die vielleicht nicht. Sie haben das Notizbuch, und ich habe das Radarbild. Mit einem von beiden
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