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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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Schuss krachte und ein Loch in die Sprosse riss, so dass die gesamte Leiter wankte und wackelte.
    Ein Lachen hallte hohl zu ihr herab. »Das war nur zur Übung. Jetzt wird's ernst.«
    Sie blickte wieder auf und keuchte. Er beugte sich über den Rand, etwa sieben Meter über ihr, die Taschenlampe in einer Hand, die Waffe in der anderen, und zielte auf sie. Er konnte sie gar nicht verfehlen. Er wusste, dass er sie hatte, und nahm sich Zeit. Sie kämpfte sich die ächzende Leiter hinunter. Jede Sekunde konnte er den Abzug betätigen. Sie blickte auf und sah nur den Umriss seines Gesichts im Gegenlicht. Sie gab es auf, weiter hinabzusteigen – es hatte keinen Zweck.
    »Nein«, japste sie. »Bitte nicht.«
    Er streckte den Arm aus, und der stählerne Lauf der Waffe schimmerte im Lichtkegel. Sie konnte sehen, wie sich die Muskeln in seiner Hand anspannten, als er langsam den Finger am Abzug krümmte. »Sag gute Nacht, Miststück.«
    Sally tat das Einzige, was ihr noch blieb: Sie stieß sich von der Leiter ab und ließ sich in das dunkle Loch fallen.

11
    Corvus starrte auf das grüne Lämpchen, gelähmt vor Angst. Wie konnte der Mann das Sicherheitssystem des Museums überwunden haben? Was zum Teufel wollte er hier?
    Langsam glitt die Tür auf, und ein immer breiter werdender Lichtstrahl fiel auf den Boden und durch das präparierte, aufrechte Skelett eines Dinosauriers, das dadurch zu einem geisterhaften Ungeheuer wurde. Der Schatten des Verfolgers unterbrach den Lichtstrahl, seine Silhouette zeichnete sich unheimlich auf dem Dinosaurier ab, und als er einen zweiten Schritt tat, sah Corvus, dass er eine Waffe mit einem langen Lauf in der Hand hielt.
    Dieser Anblick weckte Corvus aus seiner Starre und trieb ihn zum Handeln. Er drehte sich um und floh in die dunklen Tiefen des Lagerraums, raste einen schmalen Gang zwischen gewaltigen Metallregalen entlang, vorbei an Stapeln von Knochen und Schädeln. Er kam an eine Ecke, wandte sich nach rechts, rannte einen weiteren Gang entlang und bog dann wieder links ab. Er blieb stehen, duckte sich keuchend hinter einen großen Centrosaurus-Schädel und blickte sich nach dem Mann um. Das Herz hämmerte ihm so heftig in der Brust, dass er nur ein rhythmisches Rauschen hörte. Er spähte durch ein Loch im knochigen Kragen des Ungeheuers und sah, dass der Mann sich nicht von der Stelle gerührt hatte: Er blieb ein schwarzer Umriss in der offenen Tür. Schließlich hob der Mann die Waffe, trat beiseite und ließ die Tür zugleiten, deren Sicherheitsschloss sich automatisch selbst wieder verriegelte – völlige Dunkelheit legte sich über den Lagerraum.
    Corvus' Gedanken überschlugen sich. Das war doch verrückt: Er wurde in seinem eigenen Museum zum Gejagten. Das musste etwas mit dem T-Rex in New Mexico zu tun haben. Dieser Mann wollte seine Daten und war bereit, dafür zu töten.
    Er hörte jemanden laut atmen, merkte, dass er selbst das Geräusch hervorbrachte, und versuchte sich zusammenzunehmen. So lautlos wie möglich zog er sich die Schuhe aus und schlich sich auf Strümpfen tiefer zwischen die dunklen Reihen der Fossilien, weiter nach hinten, wo die großen, aufrecht montierten Exemplare dicht gedrängt beieinander standen. Dort konnte er sich am besten verstecken. Aber für wie lange? Das Lager war so groß wie ein Kaufhaus, aber der Mann hatte fast die ganze Nacht Zeit, ihn aufzuspüren.
    Eine Stimme ertönte aus der Dunkelheit, ruhig und neutral. »Ich möchte gern mit Ihnen sprechen, Professor.«
    Corvus antwortete nicht. Er musste ein besseres Versteck finden. Er tastete sich auf Händen und Knien voran und bewegte sich sehr vorsichtig, um keinen Lärm zu machen. Er erinnerte sich an den gewaltigen Torso eines Triceratops, der dort hinten unter einer Plastikplane stand; er könnte sich im Brustkorb des Dinosauriers verstecken. Selbst wenn das Licht angeschaltet wurde, würde das Skelett ihn in tiefen Schatten tauchen, und der breite Knochen des Nackenschilds würde ihn verbergen. Der Triceratops lagerte zwischen mehreren Dutzend teilweise montierter Dinosaurier, und alle waren in Plastikplanen gehüllt. Er kroch durch einen Wald aus Knochen, schlängelte sich unter tief hängenden Planen hindurch und arbeitete sich allmählich in das Gewirr aus Fossilien vor. Einmal hielt er inne und lauschte, hörte aber nichts – keine Schritte, keine Bewegungen.
    Seltsam, dass der Mann nicht das Licht angeschaltet hatte.
    »Dr. Corvus, wir verschwenden nur kostbare Zeit. Bitte geben Sie

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