Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
Vom Netzwerk:
zweistöckiges Holzhaus mit einer Veranda, und im Schein der Lampe am Eingang konnte er den Range Rover vor der Tür stehen sehen.
    Plötzlich erinnerte er sich, dass er schon einmal hier gewesen war, vor vielen Jahren, mit ein paar Freunden, die Geisterstädte in den Bergen hatten erkunden wollen. Damals hatte es den Zaun und das neue Haus noch nicht gegeben.
    Tom drückte sich an die raue Wand der Blockhütte und schob sich daran entlang, bis er auf ein Fenster stieß. Er lugte hinein und sah ein Wohnzimmer mit Holzwänden, einem gemauerten Kamin, Navajo-Teppichen auf dem Boden und einem Elchkopf an einer Wand. Nur ein einziges Licht brannte, und Tom hatte das Gefühl, dass das Haus leer war. Er lauschte. Es war völlig still, und die Fenster im ersten Stock waren dunkel.
    Sally war nicht in diesem Haus. Er schlich nach vorn und betrachtete die Geisterstadt, schwach erleuchtet von der Lampe am Eingang. Geduckt schlich er zum Wagen, blieb ab und zu stehen, um zu lauschen, und legte schließlich die Hand auf die Motorhaube – der Wagen war noch warm. Er duckte sich neben die Fahrertür, holte die Taschenlampe hervor, die er im Handschuhfach des Dodge gefunden hatte, und knipste sie an. Er richtete sie nach unten und untersuchte die Spuren am Boden. Im lockeren Sand konnte er ein Gewirr von Abdrücken erkennen – sie stammten von Cowboystiefeln. Er ließ den Strahl über den Boden gleiten. Dort, unmittelbar hinter dem Auto, war etwas, das aussah wie parallele Schleifspuren von Stiefelabsätzen. Er folgte den Spuren im Strahl der Taschenlampe und sah, dass sie den staubigen Weg entlang zu einer Schlucht am anderen Ende der Geisterstadt führten.
    Sein Herz machte einen Satz. War Sally hier entlanggeschleift worden? War sie bewusstlos? Wenn er sich recht erinnerte, führte die Schlucht zu einigen aufgegebenen Goldminen. Er hielt inne und versuchte, sich die Umgebung ins Gedächtnis zu rufen. Unbewusst legte er eine Hand auf den Griff des Revolvers in seinem Gürtel.
    Ein Schuss.
    Er folgte den Schleifspuren einen Feldweg entlang zum anderen Ende des alten Camps, wo sie am Eingang der Schlucht im Wald verschwanden. Der Strahl der Taschenlampe enthüllte frisch niedergetrampeltes Gras an einem überwucherten Pfad. Er folgte dem Pfad und gelangte nach ein paar hundert Metern zu einer Lichtung, wo sich die Schlucht zu einem Tal verbreiterte. Der Pfad führte den Hügel hinauf, und Tom rannte hoch. Dann ging es unterhalb der Hügelkuppe entlang, durch ein Wäldchen aus Gelb-Kiefern, bis der Pfad an einer alten Holzhütte endete.
    Sally wurde in den Minen gefangen gehalten. Und genau da waren die beiden jetzt.
    Die Tür der Hütte war mit Kette und Vorhängeschloss gesichert. Tom zögerte, widerstand dem Drang, die Tür aufzutreten, und lauschte. Alles war still. Er untersuchte das Schloss und stellte fest, dass es offen an der Kette baumelte; er schaltete die Taschenlampe aus, schob leise die Tür auf und schlüpfte hinein.
    Er hielt eine Handfläche vor die Taschenlampe und knipste sie an, gerade lange genug, um sich zurechtzufinden. Der Eingang zur Mine lag vor ihm, ein gähnendes Maul in der felsigen Hügelflanke, das feuchte, modrige Luft ausatmete. Die Öffnung war verbarrikadiert und mit einem schweren Eisentor versperrt, an dem ein dickes, stählernes Vorhängeschloss prangte.
    Tom lauschte mit angehaltenem Atem. Kein Laut drang aus dem Stollen. Er versuchte es mit dem Schloss, doch diesmal hatte er Pech. Er kniete sich hin, holte die Taschenlampe hervor und untersuchte den Boden. Die Fußabdrücke waren im staubfeinen Sand besonders gut zu erkennen, und sie stammten von einem Mann, der Stiefel Größe sechsundvierzig oder siebenundvierzig trug. Daneben konnte er sehen, wo Sallys Absätze über den Boden geschleift waren, und einen breiten Abdruck, wo ein Körper gelegen hatte – ihr Körper; der Mann musste sie abgelegt haben, während er das Gittertor aufschloss. Sie war bewusstlos gewesen. Er unterdrückte rasch eine grässlichere Vorstellung.
    Tom überlegte, welche Möglichkeiten er jetzt hatte. Er musste da hinein – oder den Mann zum Gitter locken und ihn erschießen, sobald er nah genug war.
    Dann hörte er ein leises Geräusch aus der Mine und erstarrte. Ein Schrei? Er wagte kaum zu atmen. Gleich darauf hörte er wieder einen Laut, einen schwachen Schrei, verzerrt von der langen, steinernen Kehle der Mine. Das war keine Männerstimme.
    Er packte das Vorhängeschloss und rüttelte daran, versuchte es

Weitere Kostenlose Bücher