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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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aufzubrechen, aber es nützte nichts. Das Gittertor war aus schwerem Stahl und in den Stein einzementiert. Er hatte keine Chance, hineinzukommen.
    Während er sich suchend umsah, vernahm er zorniges Gebrüll, diesmal viel lauter und deutlicher, und hörte sogar ein Wort heraus: Miststück.
    Sie war da drin. Sie lebte. Und dann hörte er das gedämpfte Krachen eines Schusses.

15
    Bob Biler schaltete das Autoradio des 57er Chevy ein und drehte am Senderknopf in der Hoffnung, seinen liebsten Oldie-Sender aus Albuquerque zu finden, aber er kriegte mal wieder nur Zischen und Knistern rein. Er schaltete das Ding aus und tröstete sich mit einem Schluck Jim Beam aus der Flasche auf dem Beifahrersitz. Er schmatzte genießerisch und warf die Flasche auf den Sitz, wo sie dumpf landete, wischte sich mit der Hand das stoppelige Kinn ab und grinste über sein unerwartetes Glück.
    Biler hatte es längst aufgegeben, den absurden Vorfall oben beim Sunrise verstehen zu wollen. Irgendwer hatte seinen Dodge geklaut und ihm dafür eine Schönheit dagelassen, einen Chevy-Oldtimer, mit dem Schlüssel im Zündschloss, mindestens zehnmal so viel wert wie seine alte Mistkarre. Vielleicht hätte er die Polizei rufen sollen, aber es war doch nur fair – wenn ihm einer das Auto klaute, bekam Bob eben seins dafür. Außerdem hatte er schon eine halbe Flasche Jim Beam intus, und in dem Zustand rief man besser nicht die Bullen. Es war sein Pick-up, der geklaut worden war, und man musste einen Autodiebstahl ja nicht melden, wenn das eigene Auto weg war, oder?
    Ein plötzliches Rattern der rechten Reifen auf dem unbefestigten Randstreifen ließ Biler das Lenkrad nach links reißen, so dass er fast links von der Straße schoss, den Wagen mit quietschenden Reifen wieder fing und auf die Spur zurückbrachte. Die mittlere Fahrbahnmarkierung zog sich schnurgerade vor ihm in die Dunkelheit, und er fuhr mittig darüber, um ihr noch leichter folgen zu können. Kein Problem, er würde die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Wagens tausend Kilometer vorher sehen, reichlich Zeit, um Platz zu machen. Er förderte seine Konzentration mit einem weiteren Schluck Jim Beam, und seine Lippen machten ein befriedigendes, ploppendes Geräusch, als er die Flasche wieder absetzte.
    Es war schon nach zehn, und Biler würde erst um halb elf in Espanola ankommen. Herrgott, er war so müde. Es war eine lange Fahrt von Dolores hier runter gewesen, nur um seine Tochter und ihren nichtsnutzigen, arbeitslosen Mann zu besuchen. Wenn er doch nur diesen Oldie-Sender aus Albuquerque reinkriegen könnte – ein bisschen Elvis würde ihn wieder munter machen. Er schaltete das Radio an, suchte die gesamte Skala ab, hielt bei einem Sender inne, bei dem hinter statischem Rauschen eine Andeutung von Musik zu hören war, und ließ ihn an. Wenn er näher an der Stadt war, würde der Sender vielleicht besser reinkommen.
    Er sah Scheinwerfer in der Ferne und schwenkte auf seine Fahrbahn hinüber. Ein Streifenwagen kam ihm entgegen, und er sah ihm nach, als die roten Rücklichter in der gewaltigen Dunkelheit verschwanden. Dann bemerkte er erschrocken, dass die Lichter plötzlich aufflammten – der Bulle hatte gebremst –, ein kurzes Schimmern, und dann sah er wieder die Scheinwerfer, als der Streifenwagen wendete.
    Verdammte Scheiße. Biler fegte die Flasche Jim Beam vom Vordersitz und beförderte sie mit einem kräftigen Fußtritt unter den Sitz. Der Wagen schlingerte wieder über die Mittellinie, und er wandte seine Aufmerksamkeit hastig der Straße zu – der Pick-up schwankte von seiner Korrektur. Scheiße, er sollte besser vom Gas gehen und fahren wie eine alte Lady. Sein Blick huschte von der Straße zum Tacho und dann zum Rückspiegel. Jetzt fuhr er gleichmäßig achtzig, und er war ziemlich sicher, dass er nicht viel schneller als neunzig gefahren war, als der Bulle aufgetaucht war, immer noch zehn Stundenkilometer unter der Geschwindigkeitsbegrenzung. Wie die meisten Leute, die seit vielen Jahren betrunken am Steuer saßen, überschritt auch Biler niemals das Tempolimit. Nach einigen Minuten Herzklopfen beruhigte er sich allmählich. Der Bulle hatte weder die Lichtshow eingeschaltet noch beschleunigt, um ihn einzuholen. Er kroch schön gemütlich im Abstand von ein paar hundert Metern hinter ihm her, alles easy – nur irgendein State Trooper auf Streife. Biler legte mustergültig beide Hände ans Lenkrad, starrte geradeaus und fuhr haargenau achtzig Kilometer pro Stunde.

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