Der Canyon
sich zu erkennen.«
Corvus erschrak: Die Stimme kam nicht mehr aus dem vorderen Teil des Raums, aus der Nähe der Tür. Sie kam von einer völlig anderen Stelle – näher, rechts von ihm. Der Mann hatte sich in der Dunkelheit bewegt, aber so leise, dass er keinerlei Geräusch verursacht hatte.
Auf Händen und Knien krabbelte Corvus unendlich vorsichtig weiter, betastete die Fußknochen eines jeden Dinosauriers, versuchte ihn zu identifizieren und dann den Standort auf seiner geistigen Karte des etwas chaotischen Lagerraums zu bestimmen.
Er stieß gegen irgendetwas, und ein Knochen fiel klappernd zu Boden.
»Es wird allmählich lästig.«
Die Stimme war näher – viel näher. Er wollte fragen: Wer sind Sie? Doch er tat es nicht; er wusste genau, wer der Mann war – ein verdammter Rivale, ein Paläontologe oder jemand, der für einen Paläontologen arbeitete und ihm seine Entdeckung stehlen wollte. Diese verdammten Amerikaner, nichts als Verbrecher und Barbaren.
Corvus hob sacht ein weiteres Stück Plastik an, das laut knisterte. Er erstarrte, hielt den Atem an und tastete sich dann vorwärts. Wenn er nur einen dieser verdammten Dinosaurier identifizieren könnte, wüsste er zumindest, wo er sich befand – ja, das war die Furcula des Oviraptor Ingenia. Er krabbelte hastig nach rechts, wich Plastikplanen aus, tastete sich voran, bis er auf einen Schwanzwirbel stieß, und dann noch einen, dazwischen der dicke Draht, der sie hielt. Das war der Triceratops. Corvus hob die Hand, ertastete eine Plastikplane, schob sie unendlich vorsichtig hoch und schlängelte sich darunter hindurch. Sobald er drinnen war, ertastete er die Rippen und kroch weiter nach vorn, wo er sich unter dem dreifach gehörnten Schädel mit Nackenschild verbergen konnte, der fast zwei Meter breit war. Umsichtig rutschte er Stück für Stück in die Höhlung, die einmal Herz und Lunge des Tiers enthalten hatte. Selbst wenn der Kerl Licht machte, würde er hier drin verdammt schwer zu sehen sein. Der Mann könnte stundenlang suchen, ehe er ihn hier fand, vielleicht sogar die ganze Nacht. Corvus wartete, in dem Brustkorb zusammengekauert, reglos, und spürte sein Herz gegen die eigenen Rippen hämmern.
»Es ist zwecklos, sich zu verstecken. Ich finde Sie.«
Die Stimme klang näher, viel näher. Corvus fühlte summende Panik in sich aufsteigen, wie einen Bienenschwarm, der in seinem Schädel kreiste. Er konnte das Bild von dem langen Lauf nicht aus seinen Gedanken vertreiben. Das hier war kein Scherz: Der Mann würde ihn töten.
Er brauchte eine Waffe.
Er tastete sich am Brustkorb entlang, packte eine Rippe und versuchte sie zu lösen, doch sie war gut fixiert. Er suchte die metallene Stützkonstruktion nach der Flügelmutter ab, die den Knochen hielt, fand sie und versuchte sie zu drehen. Sie saß fest. Er tastete sich zum unteren Ende der Rippe hinab und versuchte es bei der anderen Flügelmutter – auch diese rührte sich nicht.
Verdammt, er hätte einen losen Knochen mitnehmen sollen, als er Gelegenheit dazu gehabt hatte.
»Dr. Corvus, ich wiederhole mich: Es wird allmählich lästig. Ich komme jetzt.«
Die Stimme klang noch näher. Wie bewegte sich der Mann so lautlos durch die Dunkelheit? Warum kannte er diesen Raum so gut? Es war, als schwebe der Kerl durch die Dunkelheit. Verzweifelt fummelte Corvus an der Flügelmutter herum, packte sie fester, versuchte sie zu lösen; er spürte, wie die verrostete Mutter ihm die Haut aufritzte, spürte warmes Blut über seine Hand rinnen – und noch immer rührte sich das Ding nicht.
Er ließ los, schluckte und zügelte seinen keuchenden Atem. Sein Herz hämmerte so heftig, dass er fast glaubte, der Verfolger müsse es hören können – aber man konnte keinen Herzschlag hören, oder doch? Wenn er sich nur ganz still verhielt, sich nicht bewegte, kein Geräusch machte, würde der Mann ihn im Dunkeln niemals finden. Das konnte er gar nicht. Es war unmöglich.
»Dr. Corvus?«, fragte die Stimme. »Ich will nur eine kleine Information über den Tyrannosaurus Rex. Wenn ich sie erhalten habe, ist diese Angelegenheit erledigt.«
Corvus kauerte sich wie ein Fötus zusammen und zitterte unkontrolliert. Die Stimme war keine drei Meter von ihm entfernt.
14
Tom sprintete durch den Wald auf den gelblichen Lichtschein zu, der durch die Bäume schimmerte. Er wurde langsamer, als er die Rückseite eines Hauses vor sich sah, bewegte sich vorsichtig weiter und hielt sich im Dunkeln. Es war ein großes,
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