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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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Verdammt, besser konnte man gar nicht fahren.

16
    Einen Moment lang blieb Sally in einem flachen Tümpel liegen, geschockt von dem Sturz. Sie war nicht wirklich tief gefallen und eher erschrocken als verletzt. Aber sie war längst nicht außer Gefahr. Noch während sie ihre Gedanken zu ordnen versuchte, tastete sich der Strahl der Taschenlampe zu ihr herab. Gleich darauf fing er sie ein, und sie sprang zur Seite, als die Schüsse kamen; die Kugeln schlugen mit einem zischenden Geräusch neben ihr ein. Sie watete hastig durch das Wasser zu der Stelle, wo der Lichtschein ihr einen Schacht gezeigt hatte, der in die Dunkelheit führte. Gleich darauf war sie um die Ecke gebogen und außer Reichweite seiner Waffe.
    Sie lehnte sich an die Wand und schnappte keuchend nach Luft. Ihr ganzer Körper schmerzte, doch offenbar hatte sie sich nichts gebrochen. Sie tastete in der Brusttasche nach der Streichholzschachtel. Während die zwar von außen feucht geworden war, war der Inhalt wundersamerweise trocken geblieben. Die Streichhölzer waren aus Holz, ziemlich lang, keine Sicherheitshölzer, sondern solche, die man überall anreißen konnte. Sie probierte es an der Felswand, ratschte einmal, zweimal. Beim dritten Versuch flammte es auf und erleuchtete schwach den Schacht, der vor ihr lag, ein langer Gang, gestützt von morschen Eichenbalken. Ein schmales Rinnsal floss am Boden entlang von einer Pfütze zur nächsten. Der Zustand des Tunnels war katastrophal; Balken waren herabgestürzt, stellenweise versperrten kleine Lawinen von Decke und Wänden den Gang. Was noch nicht eingestürzt war, sah ganz so aus, als wolle es das jeden Augenblick nachholen, in der Felsendecke klafften breite Risse, und die Eichenbalken bogen sich unter dem Gewicht verrutschten Gesteins.
    Sie eilte den Stollen entlang und schützte das Streichholz mit der Hand, bis es ihr die Finger verbrannte und sie es fallen lassen musste. So lange sie es wagte, lief sie in der Dunkelheit weiter und orientierte sich aus der Erinnerung. Als es ihr zu gefährlich wurde, blieb sie stehen und lauschte. Folgte er ihr? Es erschien ihr unwahrscheinlich, dass er es riskieren würde, die Leiter hinunterzusteigen – kein vernünftiger Mensch würde das tun, und außerdem hatte sie bei ihrem Abstieg zu viele Sprossen zerbrochen. Er würde sich erst ein Seil suchen müssen, und das verschaffte ihr zumindest ein wenig Zeit. Aber nur ein wenig: Sie erinnerte sich, ein Seil in ihrer Zelle gesehen zu haben, aufgerollt vor dem Fußteil des Betts.
    Sally kämpfte darum, sich zu konzentrieren und rational zu denken. Sie erinnerte sich, einmal irgendwo gelesen zu haben, dass alle Höhlen atmeten und die beste Möglichkeit, einen Weg hinaus zu finden, darin bestand, dem »Atem« der Höhle zu folgen – oder vielmehr, dem Luftstrom. Sie entzündete ein Streichholz. Die Flamme neigte sich zurück, dorthin, wo sie hergekommen war. Sie ging in die entgegengesetzte Richtung weiter, tiefer in die Mine hinein, watete so schnell durchs Wasser, wie sie es wagen konnte, ohne dass ihr Streichholz dabei erlosch. Der Stollen bog nach rechts ab und öffnete sich zu einer großen Höhle, in der man Felssäulen hatte stehen lassen, um die Decke zu stützen. Ein zweites Streichholz zeigte ihr zwei Ausgänge. Das Wasser floss in den linken Gang. Sie hielt inne, hatte gerade noch genug Flamme, um zu prüfen, woher die Luft strömte, und beschloss, den rechten Tunnel zu nehmen, der leicht aufwärts führte.
    Das Streichholz brannte herab, und sie ließ es fallen. Dann nahm sie sich einen Moment Zeit, um die verbliebenen Streichhölzer in der Schachtel mit den Fingern zu zählen. Fünfzehn.
    Sie versuchte sich tastend vorwärts zu bewegen, merkte jedoch bald, dass sie auf diese Weise zu langsam vorankam. Sie musste ihren Vorsprung vor dem Mann so weit wie möglich vergrößern. Jetzt war die richtige Zeit, die Streichhölzer zu benutzen, nicht später.
    Sie entzündete ein weiteres, ging den Stollen entlang, um eine Ecke – und stellte fest, dass der Gang durch einen Einsturz verschüttet war. Sie starrte zu dem dunklen Loch in der Decke empor, aus dem eine gewaltige Menge Geröll herabgestürzt und in einem großen Haufen auf dem Boden gelandet war. Mehrere Brocken, so groß wie Autos, hingen gefährlich schief herab, gerade noch von geborstenen Balken gehalten, doch es sah aus, als würde alles einstürzen, wenn man es nur mit dem Finger anstupste.
    Sally kehrte um und nahm den linken Stollen, der

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