Der Canyon
Kakteenhülsen entlockt hatte. Die Wände des Tyrannosaur Canyon ragten schwarz um ihn auf und wichen über ihm einem tiefen, samtigen Himmel voller Sterne.
Ford hatte gerade sein Abendmahl aus Bohnen und Reis beendet. Er nahm die leere Bohnendose, stellte sie ins Feuer und erhitzte sie, bis alle Spuren von Essen daraus getilgt waren – seine Methode, den Abwasch zu erledigen, wenn das Wasser dafür zu kostbar war. Mit einem Stock fischte er die Dose aus dem Feuer, ließ sie abkühlen und füllte sie mit Wasser aus seiner Feldflasche. Dann fasste er die Dose am obersten Rand und stellte sie aufrecht zwischen die brennenden Kaktusschalen. Nach wenigen Minuten kochte das Wasser. Er holte die Dose heraus, fügte einen Teelöffel gemahlenen Kaffee hinzu, rührte um und stellte die Dose wieder ins Feuer. Fünf Minuten später war sein Kaffee fertig –
Er nippte daran, hielt die Dose am nicht ganz abgetrennten Deckel und genoss den bitteren, rauchigen Geschmack. Traurig lächelte er in sich hinein, als er an das enge kleine Café dachte, in dem Julie und er so gern gesessen hatten, gleich um die Ecke vom Pantheon in Rom, wo sie an einem winzigen Tisch perfekten Espresso getrunken hatten. Wie hieß der Laden gleich wieder? Tazza d'Oro.
Er war sehr weit weg von dort.
Er trank den letzten Rest Flüssigkeit, kippte den Kaffeesatz ins Feuer und stellte die Dose für den Morgenkaffee beiseite. Seufzend lehnte er sich wieder an den Felsen, zog seine Kutte dichter um sich und blickte zu den Sternen auf. Es war fast Mitternacht, und der Buckelmond kroch soeben über den Rand der Schlucht. Er suchte ein paar Sternbilder heraus, die er kannte, den Großen Wagen, Kassiopeia, die Plejaden. Der schimmernde Strang der Milchstraße zog sich über den Himmel; Ford folgte ihm und fand Cygnus, den Schwan, bei seinem Flug mitten durch die Galaxie auf ewig erstarrt. Er hatte gelesen, dass es im Zentrum dieser Galaxie ein riesiges Schwarzes Loch gab, das Cygnus X-l genannt wurde, hundert Millionen Sonnen verschluckt und zu einem mathematischen Punkt komprimiert – und er staunte über den Vorwitz der Menschen, die glaubten, sie könnten irgendetwas von der wahren Natur Gottes begreifen.
Ford seufzte und streckte sich auf dem Sand aus; er fragte sich, ob sich solche Gedanken für einen zukünftigen Benediktinermönch gehörten. Er spürte, dass die Ereignisse der vergangenen Tage ihn auf eine Art spirituelle Krise zutrieben. Die Suche nach dem T-Rex hatte den alten Hunger wieder erweckt, diese Lust auf die Jagd, von der er glaubte, er habe sie sich ausgetrieben. Er hatte weiß Gott schon genug Abenteuer erlebt. Er beherrschte vier Sprachen, hatte in einem Dutzend exotischer Länder gelebt und viele Frauen gekannt, bevor er der Liebe seines Lebens begegnet war. Er hatte dafür unerträglich gelitten und litt noch immer. Warum also immer noch diese Sucht nach Aufregung und Gefahr? Hier war er, suchte nach einem Dinosaurier, der ihm nicht gehörte, der ihm weder Anerkennung noch Geld oder Ruhm bringen würde. Warum? War diese verrückte Suche das Ergebnis eines grundlegenden Charakterfehlers?
Widerwillig kehrte Ford in Gedanken zu jenem schicksalhaften Tag in Siem Reap, Kambodscha, zurück. Seine Frau Julie und er hatten Phnom Penh tags zuvor verlassen und waren auf dem Weg nach Thailand. In Siem Reap legten sie einen Zwischenstopp ein, um sich die Tempel von Angkor Wat anzusehen – ein touristischer Umweg, der zu ihrer Tarnung gehörte. Erst eine Woche zuvor hatten sie erfahren, dass Julie schwanger war, und um das Ereignis zu feiern, hatten sie sich eine Suite im Royal Khampang Hotel geleistet. Er würde niemals seinen letzten Abend mit ihr vergessen, als sie an der Naga-Balustrade von Angkor Wat standen und zusahen, wie die Sonne über den fünf großen Türmen des Tempels unterging. Aus einem Kloster, das im Wald neben dem Tempel verborgen war, drang leise der geheimnisvolle Singsang buddhistischer Mönche herüber.
Der Auftrag war perfekt gelaufen. Am Morgen hatten sie die Daten auf CD-ROM an ihre Kontaktperson in Phnom Penh übergeben. Ihr Job hatte damit ein sauberes Ende genommen – glaubten sie zumindest. Es gab nur einen einzigen Warnhinweis – er hatte einen alten Toyota Land Cruiser bemerkt, der ihnen folgte. Er hatte den Wagen in den belebten Straßen der Hauptstadt abgeschüttelt, bevor er die Stadt verlassen hatte. Die Sache war ihm nicht ernst erschienen, und er war bereits unzählige Male verfolgt worden.
Nach
Weitere Kostenlose Bücher