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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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irgendein schuppiges, feuchtes Wesen glibbere dort herum
und greife nach ihren Zehen.
    »Wie war's
denn hiermit ?« , unterbrach Scott seinen Gedankengang
und hielt eines der Blätter mit der unversehrten Hand hoch. »Bestimmt erinnern
Sie sich noch an die Dauerberichterstattung über das Flugzeugunglück der 747 in
Uplands, ist ja noch nicht lange her .« Die Bilderfolge
zeigte eine schnittige, riesige Boeing, die außer Kontrolle geriet, am Ende des
Rollfelds hin und her schlitterte und, mit dem Bug voran, in einem angrenzenden
Maisfeld in zwei lichterloh brennende Hälften zerbarst. »Sieht ganz so aus, als
hätte Dr. Bateman Recht gehabt«, bemerkte er wie im Selbstgespräch.
    Beeindruckt
vertieften sich die Studenten in die Zeichnungen. Nach einer Weile schlug Scott
vor, den Rest ohne ihn anzuschauen. Er sei schon spät dran. In seinen Gedanken
war er bereits auf dem Heimweg.
    Die Studenten
wollten ebenfalls gern los. Sie dankten Scott für die Zeit, die er sich für sie
genommen hatte, legten die Zeichnungen zurück in den Beutel und marschierten
durch den Krankenhausflur davon. Dabei unterhielten sie sich angeregt über den
seltsamen alten Mann und das vor ihnen liegende August-Wochenende.
    Während Scott
sich zum Gehen anschickte, bemerkte er aus dem Augenwinkel irgendeine Bewegung.
Als er stehen blieb und sich umdrehte, sah er gerade noch, wie sich ein
einzelnes Zeichenblatt aus der welken Hand des Künstlers löste. Scott bückte
sich, um es aufzuheben; seine Neugier zwang ihn, sich den Inhalt genauer
anzuschauen.
    Auch bei diesen
vier Cartoons ging es um eine Horrorgeschichte. Anfangs war eine einsame
Gestalt in einem heruntergekommenen, von Spinnweben durchzogenen Zimmer zu sehen. Die Gestalt stand vor einem kunstvoll anmutenden Kamin, der
die Form eines Löwenkopfs hatte, und hackte mit einer Axt die Holzbohlen des
Fußbodens auf. Das letzte Bild zeigte, wie die Gestalt unter den Bohlen einen
mumifizierten Leichnam entdeckte, dessen Herz von einem Messer durchbohrt war.
Die toten Hände hielten irgendeinen rechteckigen Gegenstand fest an die Brust
gedruckt
    Die
herausragende Qualität der Bilder beeindruckte Scott. Was für ein Talent!
    Während er die
Zeichnungen zurück in den Beutel stopfte, blickte er nochmals auf die aktuelle
Arbeit des Alten. Die fast mechanische Hartnäckigkeit, mit der er skizzierte,
die unheimliche Fülle von Einfallen, die einfach aus ihm herauszuströmen
schienen, zogen Scott in ihren Bann. Er konnte nur schwer akzeptieren, dass in
einem Gehirn, das ein solches Talent hervorgebracht hatte, völlige Leere herrschen
sollte. Schon nach dem ersten Eindruck war Scott versucht gewesen zu glauben,
es müsse irgendeine Möglichkeit geben, zu ihm durchzudringen, einen Weg geben,
mit ihm zu kommunizieren. Ihm war klar, dass sein Interesse an diesem Patienten
nur teilweise beruflicher Natur war, zum größten Teil beruhte es auf purer
Neugier. Es reizte ihn einfach, mehr über den Mann zu erfahren. Einiges an
seinem comicartigen Stil kam Scott entfernt bekannt vor und versetzte ihn in
die Tage seiner Kindheit zurück, als er geradezu verrückt nach Comics gewesen
war. Vielleicht hatte dieser Greis einmal einen der Klassiker wie Tales from
the Crypt oder The Vault of Horror illustriert. Immerhin war es eine
interessante Möglichkeit -vielleicht hatte er eine verkalkte Berühmtheit vor sich!
    Unmittelbar
neben Scott tauchte plötzlich eine Krankenschwester auf: »Dr. Bowman ...«
    Scott
antwortete nicht, er hatte nicht einmal die Stimme der Frau gehört Während er
gebannt auf die Zeichnung starrte, die der Künstler gerade angefangen hatte,
durchzuckte ihn das Gefühl von einem Déjà-vu. Dabei fiel ihm eine ähnliche
Begebenheit ein: Vor vielen Jahren hatte er in einem bayerischen Dorf plötzlich
das Gefühl gehabt, einen Ort zu kennen, an dem er vorher noch nie gewesen war.
Damals hatte er gerade irgendein primitives Folterwerkzeug in einem verstaubten
Museum des Mittelalters inspiziert. Krista hatte sich über ihn lustig gemacht
und behauptet, wahrscheinlich sei er in einem früheren Leben mit einem
ähnlichen Folterwerkzeug öffentlich gedemütigt worden - als Strafe für die
unaussprechlichen Dinge, die er mit einer Pfarrerstochter angestellt habe.
    Aber warum
ausgerechnet jetzt? Die Zeichnung hatte noch nicht einmal richtige Formen
angenommen, es waren bislang nur runde, irgendwie gerippte Objekte in geometrischer
Anordnung zu erkennen ...
    »Dr. Bowman ?« , sprach ihn die

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