Der Cartoonist
Alterns, genauer
gesagt, der so genannten Vergreisung, heranzuführen. »Wie Sie sehen können,
vegetiert sie förmlich dahin, ein Fall kompletter Geistesschwäche .«
Ehrlich
gesagt, war Mrs. Stopa ein Paradebeispiel für Apathie. Sie starrte mit leerem
Blick auf ihren Schoß, sie sabberte, ihre Kiefer mahlten unaufhörlich vor sich
hin und erzeugten dabei nichts als grässliche Schmatzlaute. Sonst gab es leider
kaum etwas, was Scott über die Alte hätte sagen können, und als sie plötzlich
einen fahren ließ, verdrückten sich die Studenten diskret.
Scott beendete
die Übungsstunde: »Gut, Freunde. Es ist schließlich Freitag. Wie wär's, wenn
wir Schl- ...«
»He, Leute!
Schaut euch das mal an !«
Eine junge,
attraktive Studentin rief quer durch den Flur nach ihnen. Sie blickte
fasziniert über die Schulter eines älteren Mannes, dessen Oberkörper in
Kreuzgurten steckte, die ihn daran hinderten, aus dem Rollstuhl zu kippen. Auf
den ersten Blick sah es so aus, als sei mit dem alten Mann nicht viel mehr los
als mit seiner Mitpatientin Mrs. Stopa. Seine
dürre Gestalt
versank fast in der für senile Alte üblichen Anstaltstracht: ärmelloses
Unterhemd, blaue Schlafanzughose, gestellt vom Krankenhaus, braune
Filzlatschen. Außerdem umgab ihn der unverwechselbare Geruch nach Ammoniak.
Sein scharfes Gesicht hatte tiefe Falten, vom Kinn hing ein Speichelfaden bis
zu dem mit Essensresten voll gekleckerten Lätzchen. Die kleinen, dunkelbraunen,
fast schwarz wirkenden Augen erinnerten an die Knopfaugen einer Stoffpuppe und
unterstrichen den leeren Gesichtsausdruck.
Doch als Scott
sich dem Alten näherte, flackerte plötzlich etwas in dessen Augen auf, was auf
eine unvermutete geistige Aktivität schließen ließ. Es war so schnell wieder
vorbei, wie es gekommen war. Aber innerhalb dieses Moments, der nur einen
Atemzug lang andauerte, meinte Scott etwas ... Lauerndes in diesen von
Krähenfüßen umrahmten Augen entdeckt zu haben. Verstärkt wurde dieses
merkwürdige Gefühl durch das, was der Mann mit seinen Händen anstellte. Mit
seiner Linken hielt er ein Zeichenbrett fest gegen seine Knie gedrückt, während
er mit dem Bleistift in der rechten Hand zeichnete.
Scott hatte
bereits von diesem alten Kerl gehört, ihn aber noch nicht persönlich zu Gesicht
bekommen. Der behandelnde Therapeut und Chef der Psychiatrie, Vince Bateman,
hatte den Fall des alten Herrn bei einer der Besprechungen, die regelmäßig
mittwochmorgens stattfanden, als diagnostisch schwer einzuordnen eingestuft. Aus medizinischer Sicht erfüllte der Patient die meisten Kriterien
für eine altersbedingte Demenz, dagegen sprach jedoch seine, wie Bateman
behauptete, fast unglaubliche künstlerische Begabung. Der Alte war mit dem
Rettungswagen eingeliefert worden, er war ohne Bewusstsein gewesen und hatte
keinerlei Papiere bei sich gehabt, die ihn hätten ausweisen können. Bateman
hatte ihn der Einfachheit halber auf den Namen der Zeichner getauft.
»Los, kommt
her«, rief die Studentin nochmals. »Das müsst ihr sehen! Das ist einfach der
Hammer !« Die Gruppe versammelte sich um den alten Mann
und
bestaunte
neugierig die flinken, scheinbar zufälligen Bewegungen des Bleistifts auf dem
Zeichenblock. Mit einem ungeduldigen Blick auf die Uhr stellte sich Scott zu
ihnen.
Ungeachtet der
Störung seiner Privatsphäre fuhr der Alte mit dem Skizzieren fort und
schaukelte dazu im Takt der Musik, die aus dem Radio neben ihm drang. Es war
eines jener alten Transistorradios, die vor mehr als zwanzig Jahren so populär
gewesen waren, lange bevor Walkmans und Ghetto-blaster eingeführt wurden. Ein
Streifen alten, schmuddeligen Kreppbands hielt das rissige und ramponierte
Gehäuse zusammen.
Scott blickte
auf den Zeichenblock des Alten, und sofort war seine Ungeduld wie weggeblasen.
Als kleiner Junge war Scott ein richtiger Comic-Fan gewesen und hatte, von Sergeant Rock bis Richie Rich , alles verschlungen. Aber so etwas wie
das hier hatte er noch nie gesehen.
Der Zeichner
hatte Action-Szenen entworfen, deren einzelne Sequenzen durch die für die
klassischen Comics typischen gerahmten Kästen liefen. Die Cartoons zeigten zwei
Männer beim Boxkampf. Auf dem Letzten der Serie war zu sehen, wie einer von
ihnen bäuchlings auf der Matte lag, während der andere mit gespreizten Beinen
über ihm stand und die Arme triumphierend nach oben streckte. Vom Ohr des
Unterlegenen sickerte, schwarz wie Blei, Blut auf den Boden; der Alte war
gerade dabei, die Einzelheiten
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