Der Cartoonist
schmutzigen Zelle gesickert, es
hatte wie in einem Raubtierkäfig gestunken. Scott hatte nur selten allein
hinuntergehen müssen, aber bei solchen Gelegenheiten hatte er jedes Mal vor
Angst gezittert, panisch wie ein Kind, das auf einen Kleiderschrank zugeht, aus
dem kurz zuvor unheimliche Geräusche wie ein Kratzen oder leises, wütendes
Knurren gedrungen sind.
In seinem
Traum war Scott in genau so einer Gummizelle eingekerkert gewesen, er hatte die
Bilder jetzt klar vor Augen. Seine Arme hatten in einer Zwangsjacke gesteckt,
und er war mit Drogen voll gepumpt, die sein Hirn benebelten. Seine Familie,
der man weisgemacht hatte, er sei unheilbar geisteskrank, hatte ihn aufgegeben.
Und die Leute da draußen, die Leute, die ihn therapierten, waren anonym
geblieben und unzugänglich gewesen. Keine seiner Äußerungen wurde ernst
genommen, Ärzte und Pfleger hielten sie für das irre Geschwafel eines
Geisteskranken. Aber er war nicht irre. Allerdings würde es, falls er nicht
bald entlassen werden sollte, irgendwann zu spät sein, um ...
An diesen Teil
des Traums kam er nicht mehr heran. Angesichts des warmen, goldenen Lichts des
erwachenden Augustmorgens war er auch keineswegs sicher, ob er den Rest
überhaupt wissen wollte. Letztendlich war es doch nur ein Traum gewesen.
Dennoch blieb
ein schlechtes Gefühl zurück, das wie eine feuchte Decke auf ihm lastete, ein
Gemisch aus Angst, Einsamkeit und der sehr realen Empfindung körperlicher
Krankheit. Es war ein Gefühl plötzlicher Kälte, das er sehr genau kannte und
das ihn schon einmal vor zehn Jahren erwischt hatte. Damals, in der
mitternächtlichen Stille seiner Praktikantenbude, war er beim lauten Schrillen
des Telefons aus dem Schlaf geschreckt. Irgendein Verwandter hatte ihm
mitgeteilt, seine Eltern seien im Schlaf bei lebendigem Leibe verbrannt. Von
der großen, alten Villa in Rockliffe sei nichts als Schutt und Asche geblieben.
»Was für
morbide Gedanken ...«, dachte Scott, innerlich zitternd. Warum hatte
ausgerechnet dieser Tag unter solch düsteren Vorzeichen beginnen müssen?
Erneut warf er einen Blick auf seine schlafende Frau. Die
Wärme, die von
Krista und seinem Zuhause ausging, gab ihm Trost: Ich bin in meinen eigenen
vier Wänden, bei meinen Lieben, sagte er sich. Das leere Gefühl in seinem
Inneren war absurd, durch nichts als einen Traum hervorgerufen. Er beschloss,
es einfach zu begraben.
Gleich darauf
angelte er sich seinen Bademantel vom Haken hinter der Tür und streifte ihn
über. Der Wecker war auf halb acht gestellt, aber es war gerade erst Viertel
nach sechs. Er hatte nicht vor, wieder einzuschlafen, also schaltete er den
Wecker aus und verließ das Schlafzimmer. Leise schlich er über die Dielen des
Flurs bis zur Treppe, blieb jedoch aufgrund irgendeiner plötzlichen
Gefühlsregung stehen und trat gleich darauf den kurzen Rückweg zum Zimmer
seiner Tochter an. Lautlos öffnete er die Tür und spähte hinein.
Die
>Ghostbuster<-Tapete mit ihren kleinen Verbotsschildern tat seinen Augen
weh, jeder einzelne Geist schien ihn anzugrinsen und ihm aus dem
durchgestrichenen, roten Kreis entgegenzuspringen ...
Kaths
Messingbett funkelte in der Morgensonne. Die Glasoberfläche ihrer Kommode war
mit winzigen Plastikschlümpfen übersät, die einen so schroffen Gegensatz zu den
ersten Spuren der nahenden Pubertät bildeten, dass er den Anblick fast schon als
tragisch empfand. Mascara, Kajalstift und Modeschmuck waren jetzt noch
Spielzeug, aber bald, viel zu bald, würde Kath all das bitterernst nehmen.
Seine zehnjährige Tochter, zugedeckt mit einer leichten Sommerdecke, lag
zusammengerollt auf der Seite, den sonnengebräunten Arm liebevoll um Jinnie,
ihre Flickenpuppe, geschlungen. Von seinem Beobachtungsposten an der Tür aus betrachtete Scott die ungezähmten Locken ihres feinen,
goldfarbenen Haares.
Auf
Zehenspitzen durchquerte er das Zimmer und beugte sich über das Bett seiner
Tochter. Kaths Mund, ein kleines, dunkles, von erdbeerroten Lippen umrandetes
Oval, war leicht geöffnet, die Stupsnase ins Kissen gedrückt. Ihr niedliches,
rundes Gesicht strahlte vor sommerlicher Bräune. Die
Liebe, die
Scott in diesem Moment für seine Tochter empfand, war so heftig, dass es fast
schon wehtat. Er gab ihr einen zarten, fast schüchternen Kuss auf die vollen
Wangen und ging dann still und leise aus dem Zimmer.
Noch während
Scott die Tür hinter sich schloss, überfiel ihn eine derartig heftige, kaum zu
kontrollierende Beklemmung, dass es ihn
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