Der Cartoonist
... und diese Augen! Ihnen fehlte
jedes Pigment, deshalb hatten sie das Scheinwerferlicht rot reflektiert.
Rot war auch
ihr Blut, das zähflüssig und warm an seiner Hand klebte. Inzwischen hatte sich
eine Pfütze aus Blut
gebildet, die ihren
zerschmetterten Schädel wie ein gottes lästerlicher Heiligenschein umrahmte.
Die Welt stand
Kopf. Die Dunkelheit, die schon auf dem Rückzug gewesen war, kehrte plötzlich
wieder und breitete sich in Scotts Blickfeld wie pechschwarze Tinte aus. Er
hörte eine barsche, vorwurfsvolle Stimme — Jakes Stimme. Dann gruben sich
klauenartige Finger in seine Schulter. Aber die Stimme klang wie sehr weit weg
und hohl, als dringe sie vom Grunde eines dunklen, leeren Brunnens zu ihm
empor.
Und jetzt
stürzte er in diesen Brunnen hinab ... tiefer und tiefer ... Immer schneller
drehte sich die Spirale.
Auf dem Grund
wartete das weiße Gesicht des Kindes auf ihn.
Und Augen, die
wie Feuer brannten.
1
15. August
1988
Am Morgen
seines 37. Geburtstags wachte Scott Bowman durch seinen eigenen erstickten
Schrei auf. Er saß aufrecht im Bett und zerrte mit geballten Fäusten an der
Bettdecke, so dass der nackte Rücken seiner Frau bloßlag. Er hatte ein
panikartiges Gefühl in der Magengrube, und zu seinem eigenen Erstaunen liefen
Tränen an seinen stoppeligen Wangen hinunter. Während er orientierungslos und
verschwitzt im Bett saß, kullerte eine einzelne Träne auf seine Lippen und
drang in seinen Mund. Sie schmeckte salzig auf der Zunge, ein warmer, intimer
Geschmack, den er beinahe schon vergessen hatte. Für Tränen hatte es seit sehr
langer Zeit keinen Grund mehr gegeben.
Er stellte
fest, dass er geträumt hatte. Sofort versuchte er, die Bilder zurückzurufen,
die eben noch so plastisch gewesen waren. Aber wie so oft drängten sich andere
Gedanken und Wahrnehmungen dazwischen, so dass er tief in seinem Gedächtnis
kramen musste.
Er schloss die
Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Da war ein steriler, weißer Raum
ohne Fenster gewesen. Es war heiß dort gewesen, und er hatte das bedrückende
Gefühl gehabt, er sei hier von aller Welt vergessen worden, eingesperrt ...
Aber das war alles, was er ins Bewusstsein zurückholen konnte.
Er öffnete die
Augen, starrte auf den gebräunten Rücken seiner schlafenden Frau und lauschte
ihren regelmäßigen Atemzügen. Gleich darauf, als müsse er sich von ihrer realen
Existenz überzeugen, streckte er die Hand nach ihr aus und berührte sie. Krista
fuhr zusammen, seufzte leicht und ließ sich zurück in den Schlaf sinken. Scott
musste ein wenig lächeln: Krista würde wahrscheinlich sogar wahrend einer
Bombenexplosion weiterschlafen. Sie selbst führte es auf ihr
reines
Gewissen zurück. Es gab einfach nichts, das ihr nervend durch den Kopf
ratterte, wenn es Zeit war, die Lebensbatterien wieder aufzuladen.
Während Scott
die Hand wieder zurückzog, bemerkte er, wie wichtig der Körperkontakt zu seiner
Frau für ihn in diesem Moment war, wichtig wie ein festes Kneifen, das einen
wieder zurück in die Realität holt. Es gab ihm die Sicherheit, dass das hier
echt war: Krista, das Schlafzimmer, ihr gemeinsames Leben - nicht diese karge,
enge Zelle. In dem Traum, der ihm so realistisch und erschreckend logisch
vorgekommen war, hatte sein normales Leben nicht mehr existiert. Alles war ihm
mit einem Mal auf grausame Art und Weise genommen worden.
Und schon
kamen die Bilder in erschreckender Klarheit wieder. Scott schwang die Beine aus
dem Bett und blieb wie erstarrt, die Fäuste auf die Matratze gestemmt, sitzen.
Eine leichte, durch die Seeluft feuchte Morgenbrise strich durch die dünnen,
pfirsichfarbenen Vorhänge und plusterte sie wie von Geisterhand auf. Scott sah
aus dem Fenster und ließ den Blick zu den Nebelschwaden über dem See schweifen,
ohne sie wirklich wahrzunehmen.
Immer noch
hatte er die trostlosen Bilder seines Traums vor Augen.
Der weiße Raum
war das Schlüsselbild: Es war nicht ein beliebiges Zimmer, sondern eine
Gummizelle gewesen. Während seiner Ausbildung zum Psychiater hatte Scott nur
eine einzige irrationale Angst gekannt: trotz geistiger und seelischer
Gesundheit in einer Gummizelle zu landen. Es hatte so eine Zelle im Keller des
Krankenhauses, in dem er gelernt hatte, gegeben - eine stickige, finstere
Kammer, die bis in ihren letzten Winkel mit einer fünfzehn Zentimeter dicken
Gummischicht ausgekleidet war. Der Geruch von altem Schweiß und rasender Wut
früherer Insassen war aus jedem Winkel der
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