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Der Cellist von Sarajevo

Titel: Der Cellist von Sarajevo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Galloway
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davon abhängt, dass man die Angreifer zurückschlägt, wie von der Einstellung der Verteidiger. Eine Stadt voller Fanatiker und Krimineller ist es nicht wert, gerettet zu werden.
    Ihr wird zum ersten Mal klar, dass sich Nermin in einer schwierigen Lage befindet. Die Selbständigkeit, die er ihr zugesichert hat, passt vielen nicht in den Kram, vor allem denen nicht, denen es um die Macht geht. Eine Unabhängige wie sie, eine Scharfschützin, die man nicht im Griff hat, ist gefährlich. Wenn sie nur mittelmäßig wäre, sähe die Sache anders aus. Dann würde man kaum Notiz von ihr nehmen. Vielleicht hat Nermin daran gedacht, als er sie aussuchte. Aber ihre Fähigkeiten sind bekannt, nur schwer zu verhehlen. Wenn Nermin in einen Machtkampf verwickelt ist, ist sie für ihn eine Belastung.
    »Bin ich in Gefahr?«, fragt sie und weiß, dass es wahrscheinlich so ist.
    Nermin lächelt. »Selbstverständlich«, sagt er. »Auf den Bergen sind Männer mit Gewehren. Vor ein paar Stunden wollte Sie einer von denen töten.«
    Seine Frotzelei macht ihr zu schaffen, und sie sagt es ihm auch. Er faltet die Hände auf dem Schreibtisch. Sie bemerkt, dass seine Fingernägel geschnitten werden müssen.
    »Für Nachsicht hat man im Moment weit weniger Verständnis. Das ändert sich hoffentlich wieder. Wenn nicht, sind wir beide in einer gefährlichen Lage. Am besten wäre es, wenn die Sache mit dem Cellisten gelöst würde. Was danach geschieht, entzieht sich unserem Einfluss.«
    Er steht auf, und Strijela begreift, dass sie wegtreten soll. Als sie das Büro verlässt, hat sie das Gefühl, dass die Welt, die sie beide kennen, ganz anders sein wird, wenn sie Nermin Filipović das nächste Mal sieht.
     
    Als der Morgen anbricht, geht Strijela nicht zu der Straße. Jetzt, da ihr Gegner von ihr weiß, jetzt, da er sie gesehen hat, darf sie sich nicht mehr blicken lassen. Außerdem gibt es an der Straße nichts, was sie noch erkunden müsste. Sie würde nur gern wissen, ob der Blumenhaufen größer geworden ist.
    Sie wird zusehends ungehaltener darüber, wie wenig sie weiß. Bis vor kurzem war das noch anders. Die Probleme haben möglicherweise mit dem Cellisten angefangen, aber sie kann sich nicht genau erinnern. Sie weiß nicht einmal, seit wann ihr keine Antworten mehr auf ihre eigenen Fragen einfallen. Sie schüttelt den Kopf, verkneift sich ein gequältes Grinsen. Dem schwarzen Humor wird sie sich nicht hingeben. Sie hat zu viel Zeit mit Nermin verbracht, und die Art, wie er damit umgeht, gefällt ihr überhaupt nicht.
    Ihr Plan für diesen Tag ist einfach. Sie ist einigermaßen davon überzeugt, dass der Heckenschütze sie für tot hält. Folglich wird er sich nicht mehr allzu sehr mit der Wohnung beschäftigen, in der sie sich versteckt hat. Kein Scharfschütze kehrt zweimal an den gleichen Ort zurück, und schon gar nicht an einen Ort, an dem jemand anders getötet wurde. Wenn er sie für tot hält, wird er davon ausgehen, dass der Nächste, der losgeschickt wird, den Standort meidet, an dem sein Vorgänger gescheitert ist, und falls er doch Zweifel hegen sollte, dass er sie erledigt hat, wird er sie an einem anderen Ort vermuten.
    Da sie weiß, wie riskant ihr Vorhaben ist, hat sie sich ein neues Fenster ausgesucht, ein Zimmer weiter östlich, dort, wo früher das Schlafzimmer war. Ein Teil des Fenstersimses ist weggebrochen, wahrscheinlich durch die Granate, die den Großteil des Mobiliars verwüstet hat. Ein etwa einen halben Meter großes Loch klafft zwischen Fensterbrett und Boden, die Plastikplane vor dem Fenster ist darübergezogen, aber nicht festgezurrt. Sie muss lediglich den Lauf ihres Gewehrs durch das Loch schieben und die Plane so weit zur Seite drücken, dass sie nach Osten hin freies Schussfeld auf einen Großteil der Straße hat. Hier kann sie keiner sehen, und während sie wartet, kommt ihr der Gedanke, dass sie sich diese Stellung eigentlich von Anfang an hätte aussuchen sollen, was ihr zu schaffen macht.
    Der Tag verstreicht langsam. Sie hört schweren Artilleriebeschuss in Richtung Westen, bei Dobrinja und Mojmilo. Teils wünscht sie sich, sie wäre dort. Sie denkt an die Menschen, die sie nicht erschossen hat, weil sie in den letzten drei Tagen hier war. Männer, die sie hassen, Männer, die sie töten würden und in den letzten paar Tagen wahrscheinlich Menschen getötet haben, weil sie sie nicht vorher getötet hat.
    Doch dann stellt sie selbst das in Frage. Hassen die Männer auf den Bergen sie? Oder hassen

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