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Der Cellist von Sarajevo

Titel: Der Cellist von Sarajevo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Galloway
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Beerdigung zu kommen. »Er hat sich immer gefreut, wenn er mit dir geredet hat«, sagte Ismira. Die beiden hatten keine eigenen Kinder.
    »Natürlich komme ich«, sagte Strijela, und Ismira freute sich sichtlich darüber. Die Beerdigung fand am nächsten Tag statt, und als sie mit zwei Dutzend anderen Menschen auf dem umgewidmeten Trainingsplatz stand, spürte sie die altbekannte Wut in sich aufwallen. Sie versuchte an etwas anderes zu denken, nicht auf die Trauergäste zu achten. Eine Reihe frisch ausgehobener Rechtecke führte von dem Grab weg, in das man Slavko gelegt hatte. Leer und erwartungsvoll taten sie sich auf, wie die Schnäbel junger Vögel. Sie wusste, dass sie bis Ende der Woche alle voll sein würden.
    Ein fetter Mann stand neben ihr. Sie war ihm noch nie begegnet, aber jemand, der so beleibt war, war an sich schon bemerkenswert. Die meisten Menschen hatten seit Beginn der Belagerung zehn, fünfzehn Kilo verloren. Sie wusste nicht, wie jemand so dick bleiben konnte, wenn es nichts zu essen gab. Dann fiel ihr ein, dass manche Leute, Leute mit Beziehungen und Sonderrechten, an jede Menge Nahrungsmittel herankommen konnten. Vermutlich war der Mann eine Art Gangster, vielleicht auch ein korrupter Regierungsvertreter. Sie fragte sich, was so ein Mensch bei Slavkos Beerdigung machte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er in diesen Kreisen verkehrt hatte.
    Als sie sich umdrehte, um sich den Fetten genauer anzuschauen, hörte sie das vertraute Pfeifen einer Granate. Auch andere nahmen es wahr. Sie konnte nichts tun, und es gab keine Deckung. Den einzigen Schutz boten die offenen Gräber, und es wäre nur vernünftig gewesen, sich hineinzuhechten, doch es widerstrebte ihr. Sie warf sich zu Boden und roch zum ersten Mal seit Monaten wieder süßes, feuchtes Gras. Eine Granate explodierte hinter ihr, nicht weit weg, und sie hörte, wie der Fette neben ihr zu weinen anfing. Sein Schluchzen wurde vom Einschlag einer weiteren Granate übertönt, diesmal ein bisschen weiter entfernt.
    Strijela lag auf dem Bauch, bis der Beschuss aufhörte. Als sie den Kopf hob, waren alle weg, bis auf sie und den Fetten. Er war am Leben, zitterte, war aber allem Anschein nach nicht verletzt. Zuerst dachte sie, alle anderen wären tot. Sie dachte, die Männer auf den Bergen hätten eine neue Waffe erfunden, mit denen sie die Menschen spurlos verschwinden lassen konnten. Kein unerfreuliches Massaker, das alle Welt sehen konnte. Keinerlei Beweise. Als hätte es sie nie gegeben. Dann sah sie einen Kopf aus einem der Gräber auftauchen, dann einen weiteren, bis alle aus den offenen Gruben stiegen. Sie sah, wie ein paar Männer Ismira und einer anderen Frau aus Slavkos Grab halfen.
    Der Fette setzte sich auf, versuchte aufzustehen und schaffte es nicht. Er stieß einen langen, pfeifenden Atemzug aus und schaute sie an.
    »Warum sind Sie nicht in ein Grab gestiegen?«, fragte sie ihn und war überrascht, wie barsch sie klang.
    Seine Züge lösten sich ein bisschen. »Ich hatte Angst, ich würde nicht mehr rauskommen«, sagte er. »Wenn Sie meinen, ich wäre dick, hätten Sie mich früher mal sehen sollen.«
    Strijela stand auf und half dem Fetten auf die Beine. »Woher kennen Sie Slavko?«
    »Ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Wir haben nach Wasser angestanden. Er hat mir geholfen, als ich meinen Kanister fallen ließ.« Der Fette blickte auf seine Füße. »Warum sind Sie nicht in ein Grab gestiegen?«, fragte er und blickte zu ihr auf.
    Sie lächelte. »Ich hatte Angst, dass Sie auf mir landen könnten«, sagte sie, worauf der Mann ebenfalls grinste. Später jedoch wurde ihr der eigentliche Grund klar. Sie wollte nicht die Männer auf den Bergen darüber entscheiden lassen, wann sie sich unter die Erde begab. Dazu käme es nur, wenn sie sich dafür entschieden hätte oder von ihnen getötet wurde. Aber sie will nicht lebend in einem Grab sein. Sie hat nicht vor, ihnen die Arbeit abzunehmen.
    Strijela weiß nicht recht, warum ihr das jetzt einfällt. Sie erkennt keinen Zusammenhang mit dem, was ihr heute bevorsteht. Sie schaut auf den Haufen verwelkender Blumen und besinnt sich auf ihre Aufgabe.
    Sie kontrolliert das Fenster, hinter dem sich der Heckenschütze ihrer Meinung nach verbirgt. Eine ideale Stelle. Von dort aus kann er den Cellisten mühelos erwischen. Sie blickt nach Westen, wo ihr Versteck ist, dann nach oben, zu ihrer Attrappe. Alles ist so, wie es sein soll. Ihr Plan klappt reibungslos.
    Sie steht auf und will sich nach

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