Der Chinese
angelegt, sondern Stauden, Delphinium und Iris, und Narzissen und Phlox und Astern und wie all die Pflanzen hießen… Nach den Stauden sei der Paul nach Stuttgart und habe im Palmenhaus des Königlichen Schlosses sich auf Orchideenkultur spezialisiert… »Nehme Sie Platz, Herr Wachtmeister…« Und ob er nichts trinken wolle?
Studer schüttelte den Kopf, er wollte eine Frage stellen, aber schon rauschte der Strom weiter: – Ja, in Orchideenkultur…! Und an den Abenden habe er Bücher gelesen, bis er genug gelernt habe, um Artikel schreiben zu können – joojoo – wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften, in botanischen Blättern…
Dem Wachtmeister brummte der Kopf. Man mußte die alte Frau mit den schönen weißen Zähnen weiter erzählen lassen…
Dann sei der Paul in die Schweiz zurückgerufen worden zu einem reichen Herrn, der ein Schloß besessen habe am Thunersee… Drei Arbeiter habe Paul unter sich gehabt und die hätten schaffen müssen – er selbst sei mit dem guten Beispiel vorangegangen und habe manchmal vierzehn Stunden im Tag gearbeitet. Dann sei der reiche Herr gestorben und habe dem Paul als Dank für seine Arbeit Geld vermacht…
»Wieviel?« Studers Frage zerschnitt die lange Rede. Aber selbst dies war unfähig, der Rede Einhalt zu tun.
– Fünftausend Franken! Jojojo! Fünftausend Franken! Ein kleines Vermögen, und gleich darauf sei der Paul von der Berner Regierung gewählt worden: als Lehrer an die Gartenbauschule Pfründisberg… Oooh! Und beliebt sei der Sohn bei seinen Schülern! Manche – die vom Jahreskurs zum Beispiel –, aber selbst die anderen, die nur den Winterkurs mitmachen täten, selbst diese könnten einfach später den Paul nicht vergessen, wenn sie wieder irgendwo eine Stelle hätten. So beliebt sei der Paul. In allen Sachen kenne er sich aus – in Düngerlehre, in Baumschnitt, in Treibhaus… Überall, ja, überall sei er daheim, der Paul…
»Auch in Chemie?« Die zweite Frage klang ebenfalls wie ein scharfer Pfiff.
– Natürlich, natüürlig… Und weiter prasselten die Worte, sie erinnerten an Regentropfen, die an Fensterscheiben trommeln… Studer neigte den Kopf; er saß in einem Fauteuil, der mit rotem Plüsch überzogen war und dessen Armstützen sicher jeden Tag mit Wichse poliert wurden. Als die Mutter endlich schwieg, erkundigte sich der Wachtmeister, sehr sorgsam und sehr vorsichtig, was denn das Paket enthalten habe, das Frau Wottli ihrem Sohne geschickt habe.
– Eh, Bücher! Vor fünf Tagen habe sie dem Paul Bücher geschickt. Und warum der Herr Wachtmeister dies wissen wolle?
»Numme süscht…« – Und ob der Paul befreundet gewesen sei mit einem gewissen Farny, der in Pfründisberg ein Zimmer in der Wirtschaft ›zur Sonne‹ bewohnt habe… ?
– Farny? Aber nadirlig! Einmal sei der Herr Farny – der Herr Wachtmeister meine wohl den Herrn Farny, der gestern morgen tot aufgefunden worden sei, nid woohr? – Also, dieser Herr Farny habe ein Haus bauen wollen – in Pfründisberg – und den Sohn gefragt, ob er nicht den Plan für den Garten machen wolle… Pläne mache der Paul! Wunderbare! Der Stadtgärtner selbst sei manchmal ganz erstaunt darüber, was der Paul alles könne, und er habe ihm gesagt, daß er während seiner Ferien in der Gartenbauschule unbedingt einmal nach Bern kommen müsse, um bei den Anpflanzungen im Botanischen Garten mitzuhelfen… Ja, das sei… Aber sicher habe der Herr Studer jetzt großen Durst, was er gerne trinken wolle? Sie habe einen extra guten Erdbeerschnaps, mit einer ganz neuen Sorte gemacht, die der Paul in Pfründisberg gezüchtet habe. Ob der Gast diesen Likör kosten wolle?
Der Wachtmeister nickte, dankte und sagte, er wolle am Abend nach Pfründisberg zurückfahren.
Frau Wottli ging in die Küche, kam mit einer Flasche zurück, füllte zwei Gläser und stieß mit dem Wachtmeister an.
Gerade als Studer sein Glas auf das runde Tischchen zurücksetzte, begann irgendwo im Hause Lärm. Sie lauschten – Stühle fielen um, Teller zerbrachen knallend auf dem Boden; der ganze Krach erweckte den Eindruck, als praßle ein Hagelwetter ins Zimmer. Und an dies sommerliche Gewitter mußte man deshalb denken, weil der Lärm sicher aus dem zweiten Stock kam…
»Wer wohnt dort?« fragte Studer und wies mit dem Daumen nach der Zimmerdecke.
Nun schrie eine Frauenstimme, laut und klagend –.
Mutter Wottli aber schüttelte den Kopf: Der Äbi sei aber heut früh heimgekommen, meinte sie. Und sicher habe
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