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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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weiß? Ich zeig' dir's dann. Jetzt wollen wir weiter suchen…«
    Ludwig grub mit den Nägeln in der aufgehackten Erde. Plötzlich sagte er: »Hier!« und bot Studer einen rostigen Schlüssel. Der Wachtmeister nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, ging ans Licht, betrachtete das Ende hinter dem Bart lange und nachdenklich. »Es stimmt. Komm, Ludwig!«
    Draußen angekommen, verschloß Studer die Türe und schritt auf die Wirtschaft zu. »Eine Atmosphäre haben wir erledigt«, brummte er. »Jetzt wollen wir mit der zweiten Schluß machen. Und die dritte versparen wir uns für morgen.«
    Am Fuße der Steintreppe blieb Studer stehen und blickte hinüber auf den Friedhof. Dann zuckte er mit der Schulter. »Komm, Ludwig«, sagte er. »Wir müssen uns beide rasieren. Du hast ja einen Bart!«
    Er ging in die Küche, verlangte heißes Wasser. Huldi versprach, einen Krug zu bringen. Studer ging in das Zimmer, in dem vor kurzer Zeit noch der ›Chinese‹ gewohnt hatte.
    Die Serviertochter brachte das Verlangte und der Wachtmeister begann sich einzuseifen. Dann reichte er dem Ludwig den Pinsel. »Kannst dann den Apparat auch grad gebrauchen – wenn du willst.«
    Er sah es dem Knechtlein an, daß diese Aufforderung etwas Ähnliches bedeutete wie ein Ritterschlag. Denselben Apparat brauchen zu dürfen wie der Wachtmeister!
    »Märci… Gärn… Studer!« stotterte der Bursche und eine Blutwelle stieg in sein Gesicht.
    Es klopfte. »Herein!« ächzte Studer, der sich gerade den Seifenschaum aus den Ohren wusch. Brönnimann erschien.
    »Wachtmeister! der Wottli ist fort!«
    »So…« Studer trocknete sich das Gesicht. »Dann können wir in sein Zimmer hinauf!« Er setzte sich aufs Bett und wartete bis Ludwig fertig war. »Ich brauch' Euch nicht, Brönnimann. Wann kann man essen? Bald? Sagen wir in einer halben Stunde. Ich will noch einen Freund holen gehen.«
    Der Wirt verschwand, dann konnte man ihn hören, wie er in der Küche Befehle gab.
    »Komm, Ludwig!« Die beiden stiegen die Treppen hinauf, öffneten die Türe des verlassenen Zimmers und traten ein. Die Bücher standen noch auf den Regalen, die an der Wand angenagelt waren. Studer trat davor. Eine kleine Glastube lag am Fuße eines dicken Bandes. Der Wachtmeister nahm sie in die Hand, trat zum Fenster und las die Etikette. Er zog den Zapfen aus dem Glasröhrchen, schüttete eine der winzigen Pillen auf seine Hand, roch daran, berührte sie mit der Zungenspitze und murmelte: »Geruch- und geschmacklos. Eine gute Medizin! Natürlich, unterm Betäubungsmittelgesetz… War dir nicht ein wenig sturm, wie du gestern abend aufgewacht bist? Sag, Ludwig?«
    Ja, erwiderte das Knechtlein. Es sei ihm nicht ganz wohl gewesen…
    »Der gute Wottli! Er muß gesehen haben, wie der Ernst mit seinem Vater zusammengetroffen ist. Vielleicht hat er Verdacht geschöpft.. . Und um Ruhe zu haben, hat er euch beide einschläfern wollen. Hätte der Ernst Kaffee getrunken, so wär er nicht gestorben…«
    »Ja, glaubt Ihr… hm… Studer, daß der Ernst Selbstmord begangen hat? Hat Euch der Wottli das erzählt?«
    »Der Wottli hat's geglaubt – weil er nicht gesehen hat, daß wir den Schlüssel gefunden haben. Geh jetzt ins Gastzimmer und wart auf mich. Ich will noch den Notar holen…«
    »Welchen Notar?«
    »Du hast gut geschlafen, gestern abend…« Studer lachte, ging zur Tür, blieb noch einmal stehen. »Jetzt sind wir auch mit der zweiten Atmosphäre fertig. Wie wird's in der dritten zugehen?«
    Eine Viertelstunde später kam Studer zurück. Sein Gesicht war finster. Er schien Ludwig gar nicht zu sehen, sondern ging ans Telephon, stellte eine Nummer ein, verlangte den Gefreiten Reinhard an den Apparat und wartete. Dann: »Kommt beide sofort zurück! Lasset das Töff ein paar hundert Meter vor der Wirtschaft stehen. Und dann sucht den Wald ab. Münch ist verschwunden… Sie sagen zwar, er sei nach Bern ins Bureau gefahren, aber ich weiß, daß es nicht stimmt. Ich hab' den Wärter ausgefragt im Armenhaus und ein paar Insassen. Niemand hat den Münch gesehen heut morgen und der Hungerlott behauptet, er sei um acht Uhr fortgefahren. Etwas stimmt da nicht.«
    Der Wachtmeister behielt recht. Den ganzen Nachmittag hockte er im Gastzimmer. Um sechs Uhr abends läutete das Telephon. Da niemand in der Gaststube war, außer ihm und Ludwig, ging er selbst den Hörer abnehmen. Murmann sprach – und Studer nickte. Dann sagte der Wachtmeister leise: »Laß den Reinhard zu Fuß gehen und nimm du den

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