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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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legte seine Hände auf die Schultern des Lehrers. »Du bist ein großer Kriminalist. Aber tu mir einen Gefallen. Pack fertig und fahr noch heut über die Grenze. Ans Meer, wenn du willst. Schick mir dann deine Adresse, damit ich dich auf dem laufenden halten kann. Es ist besser, wenn du gleich abreist, verstanden? Ohne die Mutter zu besuchen. Die Aarbergergasse ist nicht gesund für dich. Leb wohl und gute Reis'!«
    Studer schritt zur Tür, wandte sich um, winkte mit der Hand. »Leb wohl« wiederholte er. »Dem Sack-Amherd erklär' ich dann deine… deine… Abwesenheit.«
    Paul Wottli, Lehrer für Chemie, Düngerlehre, Topfpflanzenkultur, Spezialist für Orchideen, blieb in der Mitte des Zimmers reglos stehen. Er lauschte auf die schweren Tritte, welche die hölzernen Stufen zum Ächzen brachten. Als sie leiser wurden, kam plötzlich Leben in den mageren Mann. Er stürzte zur Tür, riß sie auf und beugte sich über das Geländer:
    »Studer! Studer!« Keine Antwort. Wottli seufzte, dann mußte er lachen. Es war ein tiefes und leises Lachen. »Ich schreib ihm dann«, flüsterte er. »Der Studer! und Duzis haben wir auch gemacht!«

Ein leerer Tag
    Halb zwölf war es schon, als Studer die Wirtschaft verließ, um Ludwig Farny aufzusuchen. Das Knechtlein stand vor der Tür des Treibhauses und sprach mit zwei Männern. Der eine, klein und vif, rauchte eine Zigarette, der andere, der aussah wie ein pensionierter Schwingerkönig, saugte an einem Stumpen. Sie winkten beide, als sie Studer auftauchen sahen, und kamen gemächlich näher.
    »So«, meinte der Wachtmeister, »Ihr seid schnell gekommen. Und – habt ihr schon die Bekanntschaft meines Helfers gemacht?«
    Fahnderkorporal Murmann, der seit einem Jahre den Gerzensteiner Landjägerposten verlassen hatte, weil seine Frau lieber in der Stadt wohnen wollte, nickte und schlug mit dem gestreckten Zeigefinger auf seinen Stumpen. – Ludwig sei ein gäbiges Bürschli, meinte er. Und der vife Kleine (es war der Gefreite Reinhard) stimmte diesem Ausspruch zu.
    Ob die Leiche schon abgeholt worden sei? fragte Studer. Die beiden nickten – Murmann schritt rechts, Reinhard links vom Wachtmeister – Ludwig Farny kam auch und überreichte Studer den Schlüssel zur Eingangstür.
    »War sonst niemand da?« fragte er. Kopfschütteln. »Gut, dann könnt ihr beide euch heute ausruhen. Ich brauch euch erst morgen. Wenn ihr wollt, könnt ihr nach Gampligen fahren – du bist doch auf dem Töff gekommen, Murmann, oder?« Der pensionierte Schwingerkönig nickte. »In Gampligen bleibt Ihr in einer Wirtschaft – die Krone ist glaub' ich ganz gut – und wartet dort. Wenn ich euch heut noch brauche, so läut ich euch an. Morgen mach ich dann Schluß. Es kommt Besuch in die Armenanstalt und das wird günstig sein. Wir haben dann Zuhörer und Zeugen – ich freu mich… Kommt jemand von uns?«
    »Der Hauptmann hat gesagt, er sei eingeladen. Der Schreiber der Armendirektion nehme ihn im Auto mit.«
    »Wer kommt sonst noch?«
    »Ein paar Großräte, ein Sekretär vom Departement und zwei Assistenten, einer von Melringen, von wo der andere kommt, weiß ich nicht. Weißt, es sind so Leut', die Gutachten schreiben…«
    »Mhm… Also, auf morgen!«
    Die zwei empfahlen sich.
    »Komm, Ludwig! Hilf mir suchen!« Die Zurückgebliebenen traten ins Gewächshaus, öffneten die Türe, die gestern versperrt gewesen war – von innen – und Studer schritt langsam um den viereckigen Tisch, dessen eine Hälfte mit spannenbreiten Brettern umgeben war. Die Erde, die darin aufgeschichtet war, war oben mit einer Schicht von Sägespänen bedeckt; wahrscheinlich sollte sie ein Austrocknen der Pflanzenwurzeln verhindern.
    »Hier ist der Ernst gelegen«, sagte Studer verträumt. »Und da stand dein Stiefvater… Oder ist's dir lieber, wenn ich ihn ›Äbi‹ nenn'?« Ludwig nickte schweigend. »Wir wollen hier suchen. Da hat's ein ganz kurzstieliges Häueli, das wird uns nützlich sein.« Und der Wachtmeister begann, mit den zwei Zacken der Jäthacke die Sägspäne zu bearbeiten. Langsam und methodisch arbeitete er und sprach dazu mit Ludwig.
    »Gestern hat euch der Wottli das z'Nacht gebracht; erinnerst du dich noch, ob der Ernst vom Kaffee getrunken hat?«
    Ludwig blickte erstaunt auf.
    »Woher wisset Ihr das, Herr Studer?«
    Der Wachtmeister hielt in der Arbeit inne. »Was hast du gesagt, Ludwig?« Das Knechtlein wurde rot.
    »Woher wisset Ihr das?« Stocken, dann: »Studer?«
    »So ist's besser. Woher ich das

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