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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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war schlecht. Sie riefen noch ein paar abschließende Worte. Als Birgitta Roslin den Hörer auf die Gabel legte, wünschte sie sich plötzlich, sie wäre trotz allem mitgefahren, auch wenn Hans Mattsson enttäuscht und ihre Kollegen verärgert gewesen wären.
     
    Sie rief wieder das Hotel Eden an. Jetzt war besetzt. Sie wartete, versuchte es nach fünf Minuten erneut, immer noch besetzt. Durchs Fenster sah sie, dass das schöne Frühlingswetter anhielt. Sie war zu warm angezogen und wechselte die Kleidung. Immer noch besetzt. Sie nahm sich vor, es wieder zu versuchen, wenn sie in ihr Arbeitszimmer gekommen war. Sie kontrollierte den Kühlschrank, schrieb eine Einkaufsliste und versuchte ein letztes Mal die Nummer in Hudiksvall. Eine Frau meldete sich in gebrochenem Schwedisch. »Hotel Eden.« »Ich möchte mit Sture Hermansson sprechen.« »Das geht nicht«, schrie die Frau.
     
    Dann rief sie hysterisch etwas in einer fremden Sprache, Birgitta Roslin vermutete, dass es Russisch war.
     
    Es hörte sich an, als fiele der Hörer zu Boden. Jemand nahm ihn wieder auf. Diesmal war es ein Mann. Er sprach Hälsingedialekt. »Hallo?«
     
    »Ich möchte Sture Hermansson sprechen.«
     
    »Wer ist denn da?«
     
    »Und wer sind Sie? Bin ich richtig verbunden mit dem Hotel Eden?«
     
    »Ja, das sind Sie. Aber Sie können nicht mit Sture sprechen.«
     
    »Ich heiße Birgitta Roslin und rufe aus Helsingborg an. Ich bin gegen Mitternacht von Sture Hermansson angerufen worden. Wir wollten heute Morgen wieder miteinander sprechen.«
     
    »Er ist tot.« Sie rang nach Atem. Ein kurzer Schwindelanfall, vielleicht ein Krampf. »Was ist passiert?« »Das wissen wir nicht. Es hat den Anschein, als hätte er sich an einem Messer geschnitten und wäre verblutet.«
     
    »Mit wem spreche ich?«
     
    »Ich heiße Tage Elander. Nicht wie der frühere Ministerpräsident, sondern ohne ›r‹. Ich habe die Polsterwerkstatt im Nebenhaus. Die Putzfrau, die Russin, kam vor ein paar Minuten angerannt. Jetzt warten wir auf die Polizei und den Krankenwagen.«
     
    »Ist er ermordet worden?«
     
    »Sture? Wer um Himmels willen sollte ihn ermorden? Er hat sich mit einem Küchenmesser geschnitten. Weil er die Nacht allein im Haus war, hat ihn niemand um Hilfe rufen hören. Es ist tragisch. Ein so angenehmer Mann.«
     
    Birgitta Roslin war unsicher, ob sie richtig verstanden hatte. »Er kann nicht allein im Hotel gewesen sein.«
     
    »Warum nicht?«
     
    »Er hatte doch Gäste.«
     
    »Die Russin sagt, das Hotel sei leer gewesen.«
     
    »Er hatte zumindest einen zahlenden Gast. Das hat er mir gestern erzählt. Einen Chinesen, der in Nummer 12 wohnte.«
     
    »Vielleicht habe ich es falsch verstanden. Ich frage die Russin noch einmal.«
     
    Birgitta Roslin hörte das Gespräch in einiger Entfernung vom Hörer. Die Stimme der Putzfrau war noch immer schrill und erregt.
     
    Elander kam ans Telefon zurück. »Sie bleibt dabei, dass das Hotel in dieser Nacht keine Gäste hatte.« »Sie brauchen nur im Gästebuch nachzusehen. Zimmer 12. Ein Gast mit chinesischem Namen.«
     
    Elander verschwand erneut. Im Hintergrund konnte Birgitta Roslin hören, dass die russische Putzfrau, die vielleicht Natascha hieß, angefangen hatte zu weinen. Gleichzeitig hörte sie eine Tür schlagen und mehrere andere Stimmen.
     
    Elander kam wieder ans Telefon: »Ich muss jetzt Schluss machen. Die Polizei und der Krankenwagen sind gekommen. Aber ein Gästebuch gibt es nicht.«
     
    »Was heißt das?« »Es ist weg. Die Putzfrau sagt, es läge immer auf dem Tresen. Jetzt ist es weg.« »Ich bin sicher, dass heute Nacht ein Gast im Hotel gewohnt hat.« »Jetzt ist er weg. Kann es sein, dass er das Gästebuch mitgenommen hat?«
     
    »Es kann noch schlimmer sein«, sagte Birgitta Roslin. »Er kann das Küchenmesser gehalten und Sture Hermansson getötet haben.«
     
    »Ich begreife nicht, was Sie sagen. Sie sprechen vielleicht besser mit einem der Polizisten.«
     
    »Das werde ich. Aber nicht jetzt.« Birgitta Roslin legte den Hörer auf. Sie hatte im Stehen telefoniert. Jetzt musste sie sich setzen.
     
    Plötzlich kam es ihr vor, als sähe sie alles klar vor sich. Wenn der Mann, von dem sie glaubte, dass er die Einwohner von Hesjövallen getötet hatte, zurückgekommen war und nach ihr gefragt hatte, um dann mit dem Gästebuch des Hotels zu verschwinden, wobei er einen toten Hotelbesitzer zurückließ, konnte das nur eines bedeuten: Er war zurückgekehrt, um sie zu

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