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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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eine Preisverleihung geben. Wenn es nur keine Nacht mit betrunkenen Menschen auf den Gängen und ständigem Türen schlagen wird, dachte sie. Eigentlich weiß ich nichts über Werbeleute. Warum glaube ich, dass sie Lärm machen, wenn sie feiern?
     
    Sie bekam ihr Zimmer, das auf den zugefrorenen See und die bewaldeten Höhen hinausging. Sie legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Heute hätte sie eine Gerichtsverhandlung haben sollen, dachte sie, und hätte dem einschläfernden Vortrag der Klageerhebung durch einen Staatsanwalt zuhören müssen. Stattdessen liege ich auf dem Bett in einem Hotel, umgeben von Schnee, weit weg von Helsingborg.
     
    Sie stand auf, zog ihre Jacke an und fuhr auf direktem Weg nach Hudiksvall. In der Anmeldung des Polizeipräsidiums war ein reges Kommen und Gehen. Ihr war klar, dass viele der Menschen, die sich hier drängten, Journalisten waren. Sie erkannte sogar einen Mann, der im Fernsehen aufzutreten pflegte, besonders bei dramatischen Ereignissen wie Banküberfällen und Geiselnahmen. Mit einer gewissen selbstverständlichen Arroganz ging er an allen anderen in der Schlange vorbei, und niemand schien es zu wagen, Einspruch zu erheben. Am Ende stand Birgitta Roslin doch vor einer erschöpften jungen Rezeptionistin und fragte nach Vivi Sundberg.
     
    »Vivi Sundberg hat keine Zeit.«
     
    Die abweisende Antwort verwunderte sie.
     
    »Wollen Sie nicht wenigstens fragen, was für ein Anliegen ich habe?«
     
    »Sie wollen wohl Fragen stellen wie alle anderen auch. Sie müssen bis zur nächsten Pressekonferenz warten. Sie fängt gleich an.«
     
    »Ich bin keine Journalistin. Ich bin Angehörige einer der Familien in Hesjövallen.«
     
    Die Frau hinter dem Pult änderte sofort ihre Haltung. »Das tut mir leid. Da müssen Sie mit Erik Hudden sprechen.« Sie wählte eine Nummer, sagte, dass er Besuch habe. Offenbar war es nicht nötig, mehr zu sagen. »Besuch« war ein Kodewort für Angehöriger.
     
    »Er kommt und holt Sie ab. Warten Sie dort an der Glastür.«
     
    Plötzlich stand ein junger Mann neben ihr. »Ich habe mitbekommen, dass Sie eine Angehörige eines der Ermordeten sind. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
     
    Birgitta Roslin hatte normalerweise die Krallen eingezogen. Aber jetzt kamen sie heraus. »Warum sollte ich das zulassen? Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.«
     
    »Ich schreibe.«
     
    »Und für wen?«
     
    »Für jeden, der interessiert ist.«
     
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen. « 
    »Natürlich möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen.« 
    »Nein«, sagte sie. »Das möchten Sie gar nicht. Sie reden so leise, damit niemand der Umstehenden hört, dass Sie eine Beute aufgetrieben haben, die die anderen noch nicht gewittert haben.«
     
    Die Glastür wurde von einem Mann mit einem Namensschild geöffnet, auf dem »Erik Hudden« stand. Sie gaben sich die Hand. Ein Blitzlicht warf einen Reflex gegen die Glastüren, als sie sich schlossen.
     
    Im Flur war viel Betrieb. Hier herrschte ein ganz anderes Tempo als draußen in Hesjövallen. Sie gingen in einen Sitzungsraum. Der Tisch war mit Ordnern und Listen bedeckt. Jeder Ordner trug einen Namen auf dem Rücken. Hier werden die Toten abgeheftet, dachte Birgitta Roslin. Erik Hudden bat sie, Platz zu nehmen, und setzte sich ihr gegenüber. Sie erzählte die Geschichte von Anfang an, von ihrer Mutter, den zwei Namenswechseln und wie sie ihre Verwandtschaft entdeckt hatte. Sie merkte, dass Hudden enttäuscht war, als er erkannte, dass ihre Anwesenheit für die Polizei bei ihrer Arbeit kaum hilfreich sein würde.
     
    »Mir ist natürlich klar, dass Sie andere Auskünfte brauchen«, sagte sie. »Ich bin Richterin und einigermaßen vertraut mit den Prozeduren, wenn man bei komplizierten Verbrechen nach den Tätern sucht.«
     
    »Ich danke Ihnen natürlich, dass Sie uns aufgesucht haben.« Er legte den Stift ab und sah sie blinzelnd an. »Aber sind Sie wirklich den ganzen Weg von Schonen heraufgekommen, um dies zu erzählen? Sie hätten doch anrufen können.« 
    »Ich habe etwas zu sagen, was die eigentliche Ermittlung betrifft. Ich möchte gern mit Ihrer Kollegin Sundberg sprechen.«
     
    »Können Sie nicht auch mit mir sprechen? Sie ist sehr beschäftigt. « 
    »Ich habe schon mit ihr telefoniert und möchte auch weiterhin mit ihr reden.«
     
    Er ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Birgitta Roslin zog den Ordner zu sich, auf dessen Rücken »Brita und

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