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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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fühlte sich zurückversetzt in die Zeit von Filmen aus den 1940ern.
     
    »Wie heißt der Gast?«
     
    »Ich weiß nur, dass er Chinese ist.«
     
    Der Mann ließ das Gästebuch sinken. Während er sie ansah, zitterte sein Kopf. Sie vermutete, dass der Mann an Parkinson litt. »Man kennt aber im Allgemeinen die Namen seiner Freunde. Auch wenn es Chinesen sind.«
     
    »Er ist der Freund eines Freundes. Ein Chinese.« 
    »Das habe ich begriffen. Wann soll er hier gewohnt haben?« Wie viele chinesische Gäste hast du hier gehabt? dachte sie. Wenn hier einer übernachtet hat, müsstest du es doch wissen.
     
    »Anfang Januar.«
     
    »Da habe ich im Krankenhaus gelegen. Ein Neffe hat sich um das Hotel gekümmert.«
     
    »Vielleicht können Sie ihn anrufen?«
     
    »Leider nicht. Er ist auf einem Forschungsschiff in der Arktis.«
     
    Der Mann studierte mit kurzsichtigen Augen die Seiten des Gästebuchs. »Hier hat tatsächlich ein Mann aus China übernachtet«, sagte er plötzlich. »Ein Herr Wang Minhao aus Peking. Er hat eine Nacht hier gewohnt. Vom 12. auf den 13. Januar. Ist das der Mann, den Sie suchen?«
     
    »Ja«, sagte Birgitta Roslin und konnte ihre Erregung kaum verbergen. »Das ist er.«
     
    Der Mann drehte ihr das Gästebuch zu. Birgitta Roslin nahm ein Stück Papier aus der Tasche und schrieb die Angaben ab, die eingetragen waren. Name, Passnummer und etwas, was möglicherweise eine Adresse in Peking war.
     
    »Danke. Sie haben mir sehr geholfen«, sagte Birgitta Roslin. »Hat er irgendetwas hier im Hotel vergessen?«
     
    »Ich heiße Sture Hermansson«, sagte der Mann. »Meine Frau und ich haben dieses Hotel seit 1946 geführt. Jetzt ist sie tot. Ich bin es auch bald. Dies ist das letzte Jahr. Das Haus soll abgerissen werden.«
     
    »Traurig, wenn so etwas passiert.«
     
    Sture Hermansson murmelte missbilligend. »Was ist daran traurig? Das Haus ist hinfällig. Und ich bin auch hinfällig. Es ist doch normal, wenn alte Menschen sterben. Aber ich glaube tatsächlich, dass dieser Chinese etwas zurückgelassen hat.«
     
    Er verschwand im Zimmer hinter dem Tresen. Birgitta Roslin wartete. Sie begann sich schon zu fragen, ob er gestorben war, als er endlich zurückkam. In der Hand hielt er eine Zeitschrift. »Die hier lag in einem Papierkorb, als ich aus dem Krankenhaus kam. Ich habe eine Russin, die für mich putzt. Weil ich nur acht Zimmer habe, kommt sie gut allein zurecht. Aber sie ist nachlässig. Als ich aus dem Krankenhaus kam und durch die Zimmer ging, lag die hier noch im Zimmer des Chinesen.«
     
    Sture Hermansson reichte ihr die Zeitschrift. Es waren chinesische Schriftzeichen und Bilder mit chinesischen Motiven und Menschen. Sie ahnte, dass es keine Zeitschrift im eigentlichen Sinn war, sondern die Präsentationsschrift eines Unternehmens. Auf der Rückseite waren ein paar nachlässig mit Tinte hingeworfene chinesische Schriftzeichen.
     
    »Die dürfen Sie gern mitnehmen, ich lese kein Chinesisch«, sagte Sture Hermansson. Sie steckte die Zeitschrift in die Tasche und wandte sich zum Gehen. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Sture Hermansson lächelte. »Keine Ursache. Sind Sie zufrieden?«
     
    »Mehr als zufrieden.«
     
    Sie war auf dem Weg zum Ausgang, als sie Sture Hermanssons Stimme hinter sich vernahm. »Vielleicht habe ich noch mehr für Sie. Aber Sie scheinen so in Eile zu sein, dass Sie vielleicht keine Zeit haben?«
     
    Birgitta Roslin kehrte zum Tresen zurück. Sture Hermansson lächelte. Dann zeigte er auf einen Punkt hinter seinem Kopf. Birgitta Roslin verstand zuerst nicht, was sie sehen sollte. An der Wand hingen eine Uhr und ein Kalender von einer Kfz-Werkstatt, die schnellen und effektiven Service bei allen Ford-Modellen versprach.
     
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« 
    »Dann sehen Sie schlechter als ich«, sagte Sture Hermansson.
     
    Er holte einen Zeigestock unter dem Tresen hervor. »Die Uhr geht nach«, erklärte er. »Ich brauche den Stock, um die Zeiger vorzustellen. Sich in meinem Zustand auf eine Leiter zu stellen ist nicht sehr ratsam.«
     
    Er zeigte auf einen Punkt an der Wand unmittelbar neben der Uhr. Sie konnte nur ein Ventil sehen. Sie verstand immer noch nicht, was er ihr zeigen wollte. Schließlich begriff sie, dass es kein Ventil war, sondern ein Loch in der Wand, das eine Kameralinse verbarg.
     
    »Wir könnten ja herausfinden, wie dieser Mann aussah«, sagte Sture Hermansson voller Genugtuung.
     
    »Ist das eine

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