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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Überwachungskamera?«
     
    »Ganz richtig. Die ich selbst konstruiert habe. Es wäre viel zu teuer, ein Unternehmen in einem so kleinen Hotel eine Ausrüstung installieren zu lassen. Wer käme im Übrigen auf die Idee, mich zu bestehlen? Es wäre ebenso dumm, wie eine von diesen traurigen Gestalten zu berauben, die auf den Parkbänken in der Stadt sitzen und saufen.«
     
    »Sie fotografieren also jeden Gast?«
     
    »Ich drehe Videos. Ich weiß nicht einmal, ob das überhaupt legal ist. Aber ich habe einen Knopf hier unter der Platte, den ich betätige. Dann wird die Person, die vor dem Tresen steht, aufgenommen.«
     
    Er sah sie belustigt an. »Gerade eben habe ich Sie gefilmt«, sagte er. »Sie stehen genau richtig, damit es ein gutes Bild wird.«
     
    Birgitta Roslin trat zu ihm hinter den Tresen. Es war das Zimmer, in dem er offenbar sowohl schlief als auch sein Büro hatte. Durch eine offene Tür sah sie in eine altmodische Küche, in der eine Frau stand und abwusch.
     
    »Das ist Natascha«, sagte Sture Hermansson. »Eigentlich heißt sie anders. Aber ich finde, dass Russinnen Natascha heißen sollen.«
     
    Er blickte sie plötzlich besorgt an. »Ich hoffe nur, Sie sind nicht von der Polizei«, sagte er.
     
    »Nein, keine Sorge.«
     
    »Ich glaube nicht, dass alle ihre Papiere in Ordnung sind. Aber das trifft wohl auf einen großen Teil der eingewanderten Bevölkerung zu, wenn ich es richtig verstanden habe.« »Ganz so stimmt es wohl nicht«, sagte Birgitta Roslin. »Aber Polizistin bin ich nicht.«
     
    Er suchte unter den Videokassetten, die mit verschiedenen Daten versehen waren. »Wir können nur hoffen, dass mein Neffe nicht vergessen hat, auf den Knopf zu drücken«, sagte er. »Ich habe die Filme von Anfang Januar nicht kontrolliert. Wir hatten in der Zeit ja fast keine Gäste.«
     
    Nach umständlicher Fummelei fand er schließlich die richtige und schaltete den Fernseher ein. Die Frau, die Natascha genannt wurde, verschwand wie ein Schatten aus dem Raum. Sture Hermansson drückte auf die Playtaste. Birgitta Roslin beugte sich vor. Das Bild war erstaunlich klar. Ein Mann mit einer großen Pelzmütze stand vor dem Tresen. »Lundgren aus Järvsö«, sagte Sture Hermansson. »Er kommt einmal im Monat, um seine Ruhe zu haben und auf dem Zimmer sitzen und saufen zu können. Wenn er voll ist, singt er Kirchenlieder. Dann fährt er wieder nach Hause. Ein netter Kerl. Schrotthändler. Er ist seit fast dreißig Jahren Gast bei mir. Er bekommt Rabatt.«
     
    Es flimmerte auf dem Bildschirm. Als das Bild wieder klar wurde, standen zwei Frauen in mittleren Jahren da. »Nataschas Freundinnen«, sagte Sture Hermansson finster. »Sie kommen hin und wieder. Was sie in der Stadt treiben, möchte ich lieber gar nicht wissen. Aber sie dürfen hier im Hotel keinen Besuch empfangen. Ich vermute aber, dass sie es doch tun, wenn ich schlafe.«
     
    »Bekommen sie auch Rabatt?«
     
    »Alle bekommen Rabatt. Ich habe keine festen Preise. Das Hotel geht seit dem Ende der sechziger Jahre mit Verlust. Eigentlich lebe ich von einem kleinen Aktienpaket. Ich setze auf Wald und Schwerindustrie. Für meine engeren Freunde habe ich nur einen Rat.«
     
    »Und der wäre?«
     
    »Schwedische Werkstattaktien. Die sind unübertroffen.« Das Bild kehrte wieder zurück. Birgitta Roslin schrak zusammen. Der Mann war ganz klar zu sehen. Ein chinesischer Mann, in dunklem Mantel. Einen kurzen Moment warf er einen Blick hinauf zur Kamera. Als wollte er ihrem Blick begegnen. Jung, dachte sie. Nicht mehr als dreißig Jahre alt, wenn das Bild nicht trügt. Er nimmt seinen Schlüssel und geht aus dem Bild.
     
    »Ist es die richtige Person?« fragte Sture Hermansson. »Ich sehe nicht mehr so gut.«
     
    »War das am 12. Januar?«
     
    »Ich glaube schon. Aber ich kann im Gästebuch nachschauen, ob er nach unseren russischen Freundinnen eingetragen ist.«
     
    Er stand auf und verschwand in dem Raum hinter der kleinen Rezeption. Während er fort war, konnte Birgitta Roslin die Bilder des Chinesen mehrfach abspielen. Sie hielt das Bild in dem Augenblick an, in dem er die Kamera betrachtete. Er hat sie entdeckt, dachte sie. Dann sieht er weg und wendet das Gesicht ab. Er verändert sogar seine Körperhaltung, damit sein Gesicht nicht zu erkennen ist. Es ging sehr schnell. Sie ließ das Band zurücklaufen, sah es erneut an. Jetzt glaubte sie auch zu sehen, dass er die ganze Zeit wachsam war, dass er nach der Kamera suchte. Sie hielt das Bild von

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