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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ragte.
    »Aaachtung!«, schrie Dorsey, als Taggart den Ort des Geschehens erreicht hatte und sich kritisch umblickte. »Sir, ich melde …«
    Der Kommandant winkte ab. »Lasst es gut sein, Dorsey. Ich wurde bereits über alles unterrichtet. He, Dunc, bleib sitzen, mein Junge, kannst sowieso nicht aufstehen.« Taggart beugte sich herab und klopfte dem Verletzten auf die Schulter. »Das wird schon wieder, mein Sohn. Mit Doktor Hall und dem Cirurgicus hast du die besten Ärzte der Flotte. Bald tanzt du wieder eine Hornpipe oder einen Jig, was!«
    »Aye – ye, aye, S – Sir!«
    »Na denn.« Taggart blickte in die Rahen, wo, wie von Zauberhand, jeder
Falcon
plötzlich Wichtiges zu erledigen hatte. »Dorsey, sorgt dafür, dass die Gaffer verschwinden. Und lasst Tuch wegnehmen, damit die
Falcon
nicht so stampft. Sagen wir, jeweils das Großsegel von Fock- und Hauptmast. Wenn Fragen sind, lasst es mich wissen.«
    »Aye, aye, Sir.«
    »Gut, ich empfehle mich.« Sein Blick streifte Hall und Vitus. »Ich wünsche Euch eine ruhige Hand, Gentlemen. Duncan Rider ist ein braver Mann. Hat Familie zu Hause, Frau und Kinder, wenn Ihr versteht, was ich meine.« Er nickte kurz und stelzte dann zurück nach achtern. Es gehörte nicht zu seiner Art, den Leuten auf die Finger zu sehen, denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass Vertrauen viel mehr bewirkte als ängstliches Überwachen. Natürlich passierten auf diese Weise Fehler, die sonst vielleicht nicht passiert wären, aber in der Regel geschah das nur einmal, und Taggart wusste, dass er sich in Zukunft umso mehr auf den jeweiligen Mann verlassen konnte. Auch in diesem Fall war er sicher, dass er auf Hall zählen konnte, zumal der Cirurgicus ihm mit kundiger Hand assistieren würde. Im Übrigen war er, Taggart, ohnehin nicht in der Lage, bei einem derartigen Eingriff Unterstützung zu geben. Da half, wenn überhaupt, nur ein Stoßgebet. Mit solcherart Gedanken strebte er wieder seiner Kajüte zu, wo er, zusammen mit dem Ersten, beim Kartenstudium gesessen hatte.
    »Die Sprache von Dunc ist auch gestört«, bemerkte Vitus, während er die Trepane aus seinem Instrumentenkoffer nahm. »Höchste Zeit, dass Ihr operiert, Sir.«
    »Ahem … natürlich, ja, mein Junge.« Hall schwenkte ein braunes Fläschchen in der Hand, auf dem
Liquor Laudanum
zu lesen stand. »Ich habe Dunc bereits eine kräftige Dosis gegeben, vielleicht rührt seine gestörte Sprechweise auch daher. Jedenfalls scheint er keine Schmerzempfindlichkeit mehr in der Kopfhaut zu haben.«
    »Das ist gut. Notfalls muss noch einmal etwas appliziert werden.« Vitus hielt die Trepane einzeln über die Verwundung, um festzustellen, welcher der drei in Frage kam. Wie er vermutet hatte, erwies sich der mittelgroße als der richtige.
    Ein Trepan war ein metallischer Bohrzylinder, dessen eines Ende in scharfe Sägezähne auslief. Er sah damit aus wie eine umgekehrte Krone, weshalb viele Ärzte ihn auch als Kronentrepan bezeichneten. In der Mitte des Trepans befand sich ein herausnehmbarer Dorn, mit dem er im Schädelknochen fixiert wurde. Vitus legte den vorgesehenen Trepan bereit und tat den zusammengelegten Trepanierbogen dazu. »Ich denke, wir beginnen. Bei Komplikationen kann uns der Magister García zur Hand gehen, und …«
    »Un gewisslich der Zwerg Enano, wui, wui!« Ohne dass einer es bemerkt hätte, war der Winzling zwischen sie getreten. Er war von der Kochstelle im Vorschiff gekommen, wo er, seiner Gewohnheit gemäß, ein gutes Verhältnis zu den Herrschern der Fleischtöpfe hergestellt hatte. Er guckte die Ärzte treuherzig von unten an und fistelte: »Bin Blutstiller un Glücksbringer, Glücksbringer un Blutstiller …«
    »Schon gut, Enano, lass den Unsinn.« Vitus war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er reichte Hall ein Schermesser und sagte: »Sir, ich schlage vor, Ihr rasiert Dunc zunächst das Haupthaar ab. Am besten alles, da sich der Verband dann später besser anlegen lässt.«
    »Gewiss, mein Junge, gewiss.« Der alte Arzt machte sich an die Arbeit.
    »Und du, Enano, holst uns einen großen Krug Wasser.«
    »’n Ohrhansel Gänsewein? Wiewo nich?« Der Winzling wollte sich entfernen, doch Vitus hielt ihn zurück, denn ihm war noch zweierlei eingefallen:
    »Bring diese Kauter zum Kochfeuer, sorg dafür, dass sie glühend gemacht werden, damit wir sie jederzeit einsetzen können. Und dann nimm den Trepan mit. Geh zum Kapitän, und bitte ihn um eine Goldmünze, die dem Instrument im Durchmesser entspricht. Es

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